Trip
in den ganz hohen Norden - auf zur Traumerfüllung am Außenposten
russischer Kultur und Zivilisation in der Arktis, Juni 2014
Kopenhagen (Amager,
Kastrup) - Oslo Gardermoen - Longyearbyen - Nybyen - (Esmarch Gletscher) -
Barentsburg - (Grumant) - Eidsvoll
Tag1
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Tag4:
Gegen 8:30h verlasse ich die ehemalige Grubenarbeiterunterkunft und latsche ins Hauptgebäude des Spitzbergen Gästehaus, welche genauer gesagt aus vielen verschiedenen Wohnhäusern und dem Verwaltungshaus besteht. In welchem das Frühstücksbüffet auf mich wartet. Auf mich und meine Kunst des Verschwindenlassens von Lebensmitteln in unscheinbaren Behältnissen zum unbemerkten Abtransport. Auch wenn die Übernachtungsleistung meiner Meinung nach in keinem guten Verhältnis zum hingeblätterten Betrag steht, weiß das Frühstücksangebot zu gefallen. Mit ordentlich Futter im Magen und in der Tasche verlasse ich das Hauptgebäude und kehre auf mein für drei Nächte gemietetes Loch zurück. Packe die neue Hüpferlitasche, werfe mich in etliche Klamottenschichten und latsche einfach frei Schnauze mal los, Richtung Longyearbyen (w; wt).
Spitzbergen
Guesthouse (b)
- in der Baracke befindet sich mein Loch
Nybyen, Spitzbergen
Ich entscheide mich dafür, einen Rundgang zu machen und biege bei der ersten sich bietenden Möglichkeit talwärts betrachtet links ab. Die Landschaft hier auf Spitzbergen ist beeindruckend. Endzeitmäßig, karg und unwirtlich. Dabei handelt es sich bei der Gegend um Longyearbyen herum zuverlässigen Quellen nach um die klimatisch mildeste und fruchtbarste. Longyearbyen, von tollem Wetter verwöhnt! Mag ja sein, aber leider ist es selbst Mitte Juni zu kalt für eine gepflegte Asselei im Freien. Ich vermisse meine Barentsburger Villa schon jetzt. Und sehne mich dorthin zurück, obwohl ich Longyearbyen noch gar nicht richtig unter die Lupe genommen habe. Der eisige Wind pfeift mir um die Ohren und ich latsche schnurgerade zum "Huset", welches sehr abgelegen und von außen nicht gekennzeichnet ist. Die wenigen wahren Locals wollen wohl wenigstens an diesem Ort unter sich sein, oder wie soll ich das auffassen?
Links im Bild: das "Huset"
Ehemalige Kohlengrube zwischen
Nybyen und Longyearbyen
Blick Richtung "Huset"
Blick von Nybyen runter
nach Longyearbyen
Noch ´ne aufgegebene Zeche
Blick gen Nybyen
Longyearbyen, Juni 2014
Denkmal vorm "Huset", Longyearbyen
Einar Sverdrup (w)
gewidmetes Denkmal vorm "Huset", Longyearbyen
"Huset", Longyearbyen
Relikt vergangener Zeiten
Grabstein (?)
Friedhof, Longyearbyen
Fotobeweis: Tomasz in Longyearbyen
Almählich nähere ich mich dem bebauten Gebiet und erblicke die mir bereits der Vorabrecherche wegen wohlbekannten Kirche von Longyearbyen, die rund um die Uhr geöffnet sein soll und mir die Möglichkeit einer Verschnauf- und Aufwärmpause bieten wird. Ursprünglich hatte ich sogar überlegt, die letzte Nacht in der Kirche zu verbringen und dadurch die fast 80,- Tacken für das Loch im Spitzbergen Guesthouse zu sparen. Der SAS-Linienflug nach Oslo verlässt Longyearbyen schließlich schon am frühen Morgen (um 5 Uhr, meine ich mich zu erinnern). Aber irgendwie war mir das dann doch zu krass und so loggte ich drei Nächte im Spitzbergen Guesthouse ein. Ein Fehler, wie sich gleich herausstellen wird.
Longyearbyen:
Svalbards Kirke
Sieh an,
die Kirche ist offen und ich kann hinein. In die Kirche, die alleine dadurch
etwas besonderes ist, dass sie vom Staat unterhalten wird. Steht jedenfalls
bei Wikipedia. Abgesehen davon ist sie die nördlichste der Welt. Genug
der Fakten, die Du dir auch woanders reinziehen kannst. Habe hier keinerlei
Bildungsauftrag sondern versuche einfach, meine Eindrücke und Erlebnisse
zu vermitteln.
Wie auch immer, ich entledige mich etlicher Kleidungsschichten, tausche die
Luftschuhe gegen Hausschuhe und gehe eine Treppe hinauf in den Gemeinderaum,
der direkt an das Kircheninnere anschließt. Bin ganz alleine hier und
taue auf.
Immer schön die Schuhe
gegen Botten tauschen, wenn man auf Spitzbergen ein Gebäude betritt
Wenn seine Kollegen auf Spitzbergen nicht so zahlreich wären, hätte
ich eine Wanderung nach Grumant(byen) machen können...
Im Aufenthalts- bzw. Zusammenkunftssaal fühle ich mich pudelwohl. Einfach nur schön hier. Die Atmosphäre ist top: friedlich, gemütlich, einladend und voller Wärme. Klar ärgere ich mich nun über die dritte gebuchte und bezahlte Nacht, denn hier hätte ich locker ein paar Stunden überbrücken können bis zum Abflug. Was soll´s. Ich schaue mir alles genau an und schlage dann auf einem Sofa Wurzeln. Nehme mir einen Fotoband über Spitzbergen aus dem Regal und schaue mir diesen in aller Ruhe an. Zwischendurch fülle ich die Wasserflasche auf und penne kurz im Sitzen ein.
Svalbard-Kirche, Aufenthalts-
bzw. Zusammenkunftssaal
Im Inneren der nördlichsten Kirche der Welt
Svalbard-Kirche, Aufenthalts-
bzw. Zusammenkunftssaal (auf der Theke rechts kann man Andenken, Kaffee und
Kekse käuflich erwerben, deren Preise jedoch nicht nach meinem Geschmack
sind)
Klar hätte ich gern einen Souvenir-Kuli mitgenommen, aber drei Euro sind dann doch zuviel. Obwohl es durchaus schon Situationen gab, in denen ich diesen Preis ohne großes Überlegen gezahlt hätte (Nord-Ostsee-Kanal, Europe Point, ...). Aus diesen Fehlern habe ich gelernt und stets einen ganzen Batzen Schreiber am Start. Also verzichte ich und verlasse bestens ausgeruht und durchgewärmt das Kirchengebäude. Hier hat es mir wirklich bestens gefallen! Weiter geht es Richtung Fjord.
Longyearbyen
Blick zurück auf die wirklich tolle,gastfreundliche und auf Anhieb ins
Herz geschlossene Kirche von Longyearbyen
Longyearbyen
Kriegsopfern gewidmetes Denkmal in Longyearbyen (unglaublich, dass
die Nazis hier damals alles platt gemacht haben und sogar vor Ort präsent
waren - dazu ein Link)
Hier geht kohletechnisch anscheinend noch etwas (Longyearbyen, Spitzbergen)
Links das Kohlekraftwerk von Longyearbyen, geradeaus der Fjord
Mein heutiges Tagesziel ist der Strand von Longyearbyen. Nichts wie hin.
Hier wohnen sie, die Locals
von Longyearbyen (unter ihnen eine Menge meinem Empfinden nach unterbezahlter
Südostasiaten... ) - bei den hier gezahlten Gehältern hätte
ich Paläste und nicht solche Barracken erwartet
Coole Wandmalerei, Longyearbyen
Am Fjord, Longyearbyen
Gewerbegebiet, Longyearbyen (wieso die Locals hier Autos besitzen ist mir
angesichts des quasi inexistenten Straßennetzes ein Rätsel
Am Strand von Longyearbyen (bei der Wassertemperatur verwerfe ich den Gedanken
an einen neuen Badeländerpunkt zugegebenermaßen rasch)
Den Bade-Länderpunkt holte ich übrigens zwei Wochen später in Oslo nach (Spitzbergen wäre ein eigener gewesen? Den Gedanken verdränge ich bislang erfolgreich... ).
Oslo - der Bade - Länderpunkt
Nowegen fällt...
Oslo - der Bade - Länderpunkt
Nowegen ist gefallen...
Vom Kieselstrand
aus flaniere ich durch Wohngebiete zum Zentrum und staune über die Behausungen.
Leute, wie haltet ihr es hier eigentlich aus? Ganz ehrlich, hier würde
ich nicht leben wollen, jedenfalls nicht dauerhaft. Egal (fast... ), wieviel
Kohle man hier oben auch nahezu steuerfrei verdienen kann. Für mich hat
das alles hier nahezu null Lebensqualität. Wenn wenigstens die Buden
deluxe wären. Sind sie aber nicht. Zusammengefasst könnten mich
keine zehn Pferde dazu bewegen, mich in Longyearbyen niederzulassen. Im Winter
die Dunkelheit, im Sommer die nicht untergehende Sonne, von der ich schon
jetzt derbst gereizt bin. Dazu liegt Longyearbyen am Dupa der Welt. Nichts
ist in der Nähe. Alles wie in einem Themenpark. Thema: Retortenstadt
ohne Lebensqualität am, sorry, Arsch der Welt mit lausigem Wetter. Kein
Witz, ich fühle mich beim Latschen durchs Zentrum echt ein bisschen wie
in (Anti-) Disneyland oder so, denn außer flanierenden Touristen mit
einschlägig bekannten Outdoorklamottenmarken am Körper und am Hals
baumelnden Kameras geht hier nichts. Hin und wieder brettert ein Pick Up von
a nach b, das war´s.
Definitiv nichts für mich.
Wohngebiet, Longyearbyen
Wohngebiet, Longyearbyen
Snow-Trac, Longyearbyen
Das "Santa Claus" bezieht sich meines Wissens übrigens auf
die gleichnamige Mine vor Ort in Longyearbyen - eigentlich ist die Weihnachtsmannstadt
ja auch in Finnland, oder?
Ehe ich es zu erwähnen versäume: am Strand werde ich von einer Möwe attackiert. Scheint gerade Brutzeit zu sein und ich bin froh, dass das Federvieh nach wüsten Beschimpfungen, laut vorgetragenen Flüchen und heftigem "Um-mich-schlagens" von mir ablässt. Und ich sehe zu, dass ich Land gewinne. Keinen Bock auf weitere Attacken oder darauf, dass die Aggro-Möwe Mut und Kraft sammelt und einen neuen Angriff fliegt.
Am Kiesstrand von Longyearbyen
befindet sich ein Warnschild, das man keineswegs ignorieren sollte!
Der Himmel sieht immer dunkler aus und so entscheide ich mich dafür, zur Bude zurückzukehren. Einmal durchs Zentrum durch. Angeblich hat Longyearbyen sogar eine Fußgängerzone.
Longyearbyen, Blick ins
Adventdalen (w)
Universität - ja, in Longyearbyen kann man tatsächlich studieren
Longyearbyen, Zentrum
Longyearbyen, Zentrum: Ladenpassage
Longyearbyen, Zentrum: Blick zurück Richtung Meer und Aggro-Möwen-Mütter-Revier
Schließlich erreiche ich tatsächlich die Fußgeherzone und entdecke den lokalen Supermarkt namens Svalbardbuttiken.
Grubenarbeiterdenkmal in der Einkaufszone von Longyearbyen
Im Coop bzw.
in den Svalbardbuttiken staune ich nicht schlecht über die Preise. Es
kostet mich harte Überwindung, Brot und einen Saft in den Einkaufskorb
zu legen. Bei den Preisen vor Ort würde in anderen Ländern selbst
an einem Brot ein Warensicherungsteil bappen. Aber Kriminalität scheint
hier nicht vorhanden zu sein. Zurück zum Einkauf. Das Six-Pack Ringnes
kostet umgerechnet schmale roundabout 7,-€. Milch oder Limo, sogar eine
Tüte Chips wäre teurer. Das verstehe, wer will. Für den Erwerb
alkoholischer Getränke (Schnaps und Bier, Wein ist von der Kontingentierung
kurioserweise ausgenommen und man kann sich soviel vergorenen Traubensaft
kaufen, wie man will - steuerfrei!) muss man übrigens sein Flugticket
in einem separaten Alkohol-Raum vorzeigen. Man kann derzeit 24 Einheiten Bier
(egal ob 0,5 oder 0,33L) und zwei Buddeln Spirituosen erwerben. Dazu zwei
Flaschen Branntwein. Normalen Wein soviel man will. Irre. Ich verzichte gänzlich
und trolle mich zurück zur Herberge. Dort kaufe ich einen WIFI-Pass für
24h und reise erst in die Weiten des Internets und dann in die des Dreamlands.
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