Trip im Februar 2017: (HAJ - BUC) - Bukarest - (BUC - ATH - JTR) - Santorin - (JTR - ATH) - Athen - (ATH - TXL) - Spandau
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Tag 1:

Meine flehenden Gebete wurden ansatzweise erhört, Hannover wird endlich von einem echten Billigflieger bedient; Wizzair ist seit Ende letzten Jahres da und ich hoffe, dass der ungarische LCC lange bleibt und gegebenfalls noch weitere Verbindungen auf den Markt wirft beziehungsweise ausprobiert. Nachdem ich letztes Jahr im Oktober erstmals mit Wizzair von und nach HAJ geflogen bin und Kiew einen erneuten Besuch abgestattet habe geht es heute zum zweiten Mal nach Bukarest. Die Reise beginnt am Bahnhof von Hannover, wo ich mich überpünktlich am Gleis einfinde.

Bahnhof Hannover
Bahnhof Hannover

Ich löse einen Fahrschein, stempel diesen ab und warte. Es gibt Probleme, irgendwelche Dinge funktionieren zwischen Hameln und Hannover nicht so wie es sollen. Die vermutete Verspätung steigert sich innerhalb weniger Minuten und langsam aber sicher wird es zeitlich knapp, wenn ich den Flug HAJ - OTP noch erwischen will. Eine andere Zugverbindung, so verkündet die Lautsprecheranlage, fällt komplett aus. So ein Mist, ich muss die Dienste eines Taxis in Anspruch nehmen.

Taxi-Ritt, einmal Hannover Hbf - Flughafen Langenhagen, bitte... Mist!
Taxi-Ritt, einmal Hannover Hbf - Flughafen Langenhagen, bitte... Mist!

Zwanzig Minuten später fehlen bereits die ersten 32,- € im Portemonnaie, das nenne ich mal einen Auftakt nach Maß. Jetzt noch die Kohle für das S-Bahnticket dazu addiert und mir wird so richtig übel. Fast 36,- € hat mich der Transfer nun gekostet. Dreieinhalb Mal soviel wie der Flug nach Bukarest. Kranke Preisrelationen, keine Frage. Dennoch Zornesröte ins Gesicht treibend. Was soll´s, nun gilt es die Chose abzuhaken und wieder dafür zu sorgen, dass die Mundwinkel nach oben gleiten.

Flughafen Langenhagen (HAJ): Wizzair ist schon da, fehlen noch Ryanair und Easyjet und ich bin restlos glücklich (Träumereien sind erlaubt)
Flughafen Langenhagen (HAJ): Wizzair ist schon da, fehlen noch Ryanair und Easyjet und ich bin restlos glücklich (Träumereien sind erlaubt)

Der Taxiritt war alternativlos, wenigstens das. Hätte mir, natürlich nur sprichwörtlich, in den Arsch gebissen wenn die Anreise mit der S-Bahn doch noch rechtzeitig geklappt hätte.
Der Flug ist gelinde gesagt schlecht ausgelastet.

An Bord des Wizzair-Jets von Hannover nach Bukarest
An Bord des Wizzair-Jets von Hannover nach Bukarest

Die miese Auslastung schlägt mir ausnahmsweise aufs Gemüt. Klar freue ich mich über die Dreierreihe zur Einzelnutzung aber letzten Endes müssen eindeutig mehr Passagiere her wenn diese Verbindung von Dauer sein soll. Ich haue mich hin und penne ein.

Nach gut zweieinhalb Stunden sind rund 1.450 Km Luftlinie bewältigt. Schon setzt der Jet zur Landung auf dem Flughafen Otopeni an. Ich bleibe dabei, die Fliegerei ist absoluter Wahnsinn und für mich nach all den Jahren und weit über 300 Flügen auf dem Buckel noch immer nicht zu begreifen.

Otopeni (w) ist eine ungefähr 10.000 Einwohner zählende Kleinstadt im Kreis Ilfov, circa 20 Kilometer nördlich von Bukarest. Diese Kleinstadt verdankt seine überregionale Bekanntheit mit Sicherheit einzig und alleine dem dortigen Flughafen mit dem IATA-Kürzel "OTP" (w), benannt übrigens nach dem rumänischen Physiker und Aerodynamiker Henri Coanda (w). Der Flughafen selbst wiederum verdankt seine Existenz einzig und allein der Deutschen Luftwaffe, die eben jenen während des Zweiten Weltkriegs erbaute.

Flughafen Otopeni
Flughafen Otopen
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Flughafen Otopeni

Irgendwie muss ich nun zum Hotel meines Budgets, dem City Hotel Bucuresti gelangen. Eine der beiden Express-Buslinien wird mich ins Zentrum bringen. Und dann sehe ich weiter. Ich entscheide mich gegen die 780 und für die 783 mit der Endstation am Einheitsplatz (Piata Uniri). Die Bushaltestelle befindet sich im Erdgeschoss des Flughafengebäudes, unter der Ankunftsebene, wo sich übrigens auch ein gut sortierter und fair bepreister Billa-Supermarkt befindet. Wenn man den Weg dorthin gefunden hat empfiehlt es sich, Ausschau nach dem kleinen Fahrkarten-Kabuff zu halten. Dort und nur dort gibt es die Fahrscheine zu erwerben.


Fahrkarten-Kabuff unter der Ankuntsebene des Flughafens Otopeni; dort und (so weit mir bekannt; alle Angaben auf dieser gesamten Web-Präsenz ohne Gewähr) nur dort gibt es die Fahrscheine zu erwerben

Als erstes benötigt man eine Plastikkarte, auf die die Tickets raufgeladen werden. Die Expressbusse vom und zum Flughafen kosten Preisaufschlag, egal wo man ein- oder aussteigt [anders als in Venedig zum Beispiel, wo es sich gesetzt der Fall man hat genug Zeit und ist einigermaßen gut zu Fuß meines Erachtens durchaus lohnt, in Tessera (eine Haltestelle vor beziehungsweise nach der des Flughafens "VCE") ein- oder auszusteigen und dadurch einen ordentlichen Batzen Kohle zu sparen und mit einem normalen Fahrschein fahren zu können].

Ich kaufe eine solche Karte, da ich die vom letzten Mal (Oktober 2014, hier geht´s zum TR; sollte der Link nicht funktionieren kann ich dir den TR ggf. auf Anfrage hochladen/freischalten) verbummelt habe. Wäre vermutlich eh nicht mehr gülig. Zwei Euro kostet das Teil, recht happig finde ich. Dazu kaufe ich zwei Fahrten mit einer Express-Bus-Linie sowie zwei 24h-Tickets. Alles zusammen kostet umgerechnet an die fünf Euro. Fair, fast schon "real" (deutsch auszusprechen). Ach ja, Währung ist der Löwe (Leu; Plural: Lei). Kurs? Ich rechne immer einfach durch vier wenn ich irgendwo hier in Rumänien Preise sehe.

Die Linie 780 ignoriere ich da ich mich an dessen Endstation Gara Basarab im Gegensatz zur Gegend und den ÖPNV-Möglichkeiten rund um den Einheitsplatz (Piata Uniri) nicht auskenne
Die Linie 780 ignoriere ich da ich mich an dessen Endstation Gara Basarab im Gegensatz zur Gegend und den ÖPNV-Möglichkeiten rund um den Einheitsplatz (Piata Uniri) nicht auskenne

Vierzig Minuten dauert die Fahrt durch Bukarest bis zur Endstation und ich freue mich über den Einzelsitz vorne beim Fahrer, da ich auf diese Weise am meisten zu sehen bekomme. Nicht, dass mich jemand nun falsch versteht. Die rumänische Hauptstadt Bukarest (w) ist reich an Bewohnern (fast 2.000.000) und arm an klassischen Sehenswürdigkeiten. Außer dem Parlamentspalast (w), auch bekannt als Haus des Volkes vom ehemaligen anscheinend komplett durchgeknallten und wahnsinnigen Diktator Ceaucescu (w) fällt mir nichts ein. Es gibt ein paar gepflegte Parkanlagen, Plätze und Brunnen, hier und dort ein paar Statuen und das Leipziger Viertel (Lipcani), die sogenannte Altstadt. Das war´s. Für meinen streitbaren und fragwürdigigen Geschmack indes gibt es eine Menge höchst attraktiver Mega-Platten hardcore-östlicher Prägung zu bewundern und zu bestaunen. Einige Viertel kommen dermaßen arg endzeitmäßig rüber, dass Petrzalka verglichen mit denen wie Disneyland erscheint.

Und wenn Du jetzt voller Empörung "Alter, hast Du Nichtschecker ´nen Sockenschuss? Was Du da von dir gibst stimmt gar nicht, Bukarest bietet noch viele weitere Sehenswürdigkeiten!" denkst dann sende mir bitte eine Email und lass mich an deinem (Insider-) Wissen teilhaben. Der Wizzairverbindung wegen werde ich demnächst sicher wieder nach Bukarest kommen und da bin ich für jeden brauchbaren Tipp dankbar, im Ernst.

Unterwegs an Bord der Linie 783 vom Flughafen Otopeni ins Zentrum von Bukarest
Unterwegs an Bord der Linie 783 vom Flughafen Otopeni ins Zentrum von Bukarest
Dieses Bauwerk geht vermutlich nicht nur bei mir als sehenswert durch: Casa Presei Libere (deutsch Haus der freien Presse, bis 1989 Casa Scînteii)
Dieses Bauwerk geht vermutlich nicht nur bei mir als sehenswert durch: Casa Presei Libere (deutsch Haus der freien Presse, bis 1989 Casa Scînteii)

Das Haus der freien Presse war bis 2007 das höchste Gebäude Bukarests und ist der Lomonossow-Universität in Moskau nachempfunden. Den Namen Casa Scînteii trug das Gebäude wegen der Parteizeitung der Rumänisch Kommunistischen Partei (Scînteia ). Deren Redaktion war nämlich darin ansässig. Ebenso andere linientreue (das waren sie ja alle) Zeitungsredaktionen. Nach der rumänischen Revolution wurde das imposante Bauwerk dann umbenannt und trägt seitdem den Namen "Haus der freien Presse". Wobei der Begriff "frei" in Bezug auf allerlei Massen- und selbsternannten Qualitätsmedien ja inzwischen auch wieder fraglich erscheint, jedenfalls meiner Meinung nach. Wie auch immer, Registerwechsel.
Vor dem Komplex stand übrigens einst eine Leninstatue. Diese wurde zwischenzeitlich entfernt. Verständlich, für mich jedoch schade. Was soll´s, wenn ich eine Leninstatue sehen will fahre ich nach Schwerin. Kein Witz, habe ich im Dezember 2016 selbst unter die Lupe genommen (eigener TR; es gilt das gleiche wie beim ersten gesetzten Link: wenn aktuell nicht online könnte eine Email an mich helfen).

Eine weitere Sehenswürdigkeit: der sich am Pariser Vorbild orientierend gestaltete Bukarester Triumphbogen (w), erbaut im Jahre 1936
Eine weitere Sehenswürdigkeit: der sich am Pariser Vorbild orientierend gestaltete Bukarester Triumphbogen (w), erbaut im Jahre 1936
Bukarester Zentrum, am Rand des Alstadtviertels "Lipcani"
Bukarester Zentrum, am Rand des Altstadtviertels "Lipcani"

Im Lipcani befinden sich etliche Bars, Cafés, Restaurants und allerlei Möglichkeiten, die Nacht zum Tag zu machen. Aus dem Alter bin ich mittlerweile, wer mich noch aus den alten Gelhelm-Styler-Zeiten kennt wird es kaum glauben, raus. Am Bukarester Platz der Einheit angekommen verlasse ich die Erdoberfläche vorübergehend.

Piata Uniri, Niedergang zur Metro
Piata Uniri, Niedergang zur Metro
Piata Uniri, Niedergang zur Metro
Piata Uniri, Niedergang zur Metro

Ich betrete die Metrostation und kaufe einen Fahrschein. Das am Flughafen auf die Ladekarte gezogene Öffi-Tagesticket gilt nämlich nur für die Busse und Straßenbahnen, keineswegs jedoch für die U-Bahn.

Piata Uniri, Metrostation
Piata Uniri, Metrostation

Ein paar Stationen weiter steige ich wieder aus und kehre an die frische Luft zurück.

Zurück an der frischen (hust) Luft - innerhalb Bukarests ist tagsüber offenbar allen Ortens Dauerstau
Zurück an der frischen (hust) Luft - innerhalb Bukarests ist tagsüber offenbar allen Ortens Dauerstau

Mit der Straßenbahn gelange ich schließlich nach fast eineinhalb Stunden Fahrt mit Bus, U-Bahn und Straßenbahn zu meinem Hotel.

Dieses liebreizende und gleichermaßen betagte Vehikel bringt mich bis fast vor die Haustür des City Hotels Bukarest
Dieses liebreizende und gleichermaßen betagte Vehikel bringt mich bis fast vor die Haustür des City Hotels Bukarest
An Bord der Linie 35 der Bukarester Straßenbahnen
An Bord der Linie 35 der Bukarester Straßenbahnen
Aus der Straßenbahn heraus gesichtetes, abgelichtetes und nun hier veröffentlichtes Kriegerdenkmal im Sector 6
Aus der Straßenbahn heraus gesichtetes, abgelichtetes und nun hier veröffentlichtes Kriegerdenkmal im Sector 6

Das City Hotel Bukarest habe ich in erster Linie der Rabattaktion eines namhaften Reiseveranstalters, der ich auch schon während des letzten Trips durch Spanien allerlei äußerst preiswerte Übernachtungen zu verdanken hatte, gebucht. Effektiv 5,27 € sind definitiv ein fairer Preis.

Da ist es, das City Hotel Bukarest (von außen schaut´s echt okay aus... )
Da ist es, das City Hotel Bukarest (von außen schaut´s echt okay aus... )

Bei dem gezahlten Preis sind meine Erwartungen nicht hoch. So können diese auch nicht enttäuscht werden. Hätte ich den regulären Übernachtungspreis entrichtet, wäre ich durchaus verstimmt aber mal ehrlich, bei 5,27 € gibt es definitiv nichts zu meckern. Auch wenn es auf dem Gang derbe nach Zigarettenqualm (nach kaltem und frischem gleichermaßen) stinkt, obwohl angeblich alle Bereiche Nichtraucherzone sind. Auch wenn das Rezeptionspersonal unfreundlich, unfähig und unfähig erscheint. Auch wenn beide Pritschen durchgelegen sind. Auch wenn - ich kürze es ab: immerhin gibt es im Zimmer ein funktionierendes WLAN, es hat vier Wände und ich ein Dach über dem Kopf. In dieser Bude halte ich mich wie in den folgenden übrigens auch ohnehin lediglich zum Schlafen auf also was soll´s. Ach ja, relativ sauber ist es auch, das ist am Wichtigsten.

Meine Bude im City Hotel Bukarest (immr wieder krass wie schnell ich das übliche Chaos verbreite und was so alles in den Weiten einer Hüpferlitasche Platz finden kann)
Meine Bude im City Hotel Bukarest (immr wieder krass wie schnell ich das übliche Chaos verbreite und was so alles in den Weiten einer Hüpferlitasche Platz finden kann)

Der Blick aus dem Fenster fällt auf einen ziemlich rotten Wohnblock. Geht auch gar nicht anders, das gesamte Wohngebiet ums Hotel herum besteht aus eben solchen. Teilweise sind sogar richtige Monsterplatten dabei. Auch das ist ziemlich normal, da nahezu die komplette Stadt Bukarest aus ziemlich schrott daher kommenden Gebäuden und eben auch besagten Ostblock-Platten besteht. Historische Bausubstanz zu finden ist eine anspruchsvolle Mission. Spätestens nachdem Ceaucescu in seinem Wahn alles platt machte, was seinem Schönheitsideal einer angemessenen Hauptstadt im Wege stand.

Blick aus dem Fenster meiner Bude im City Hotel Bukarest
Blick aus dem Fenster meiner Bude im City Hotel Bukarest

Für einen klassischen Städtetouristen ist die Lage des Hotels ungeeignet. Für meine Belange ist sie ideal. Die Innenstadt von Bukarest kenne ich bekanntermaßen bereits. So habe ich beispielsweise auch schon eine Führung durch den ehemaligen Präsidentenpalast genießen dürfen. Die sich dann final allerdings mächtig in die Länge zog. Potentiellen Nachahmern würde ich die kürzeste Führung empfehlen, die meines Erachtens vollkommen ausreicht. Zurück zur Lage des Hotels. Wieso ist die Lage für mich genial? Ganz einfach deshalb, weil ich bekanntlich auf Ost-Platten abfahre. Als Bonuspunkt gibt es in der Umgebung einen coolen Stausee (Lacul Morii), an dem ich die wenigen Stunden bis Einbruch der Dunkelheit zu verbringen gedenke. Auch im Februar wird es in diesen Gefilden viel zu früh dunkel also versacke ich nicht lang auf dem Zimmer. Stattdessen ziehe ich sämtliche mir übereinander tragbare Klamotten an und werde sozusagen zu einer menschlichen (Kleidungs-) Zwiebel.

Zuerst schlendere ich ein bisschen durch die nähere Umgebung.

Unterwegs im Sector 6, in unmittelbarer Nähe des City Hotels Bukarest
Unterwegs im Sector 6, in unmittelbarer Nähe des City Hotels Bukarest
Das nenne ich mal eine stylishe Platte (im Mega Image Supermarkt, dessen Logo das selbe wie jenes des belgischen "Delhaize" ist, kaufe ich etwas Proviant; Preisniveau: höher als erwartet und nur Nuancen niedriger als in Deutschland, wenn man einen vollen Warenkorb und nicht ausgewählte Einzelartikel als Maßstab nimmt)
Das nenne ich mal eine stylishe Platte (im Mega Image Supermarkt, dessen Logo das selbe wie jenes des belgischen "Delhaize" ist, kaufe ich etwas Proviant)

Kurz etwas zum Supermarkt-Preisniveau: dieses ist höher als erwartet und nur um Nuancen niedriger als in Deutschland, wenn man einen vollen Warenkorb und nicht ausgewählte Einzelartikel als Maßstab nimmt. Insgesamt ist´s für mich als Touri in Ordnung aber ich frage mich, wie die Locals mit ihren noch immer wesentlich niedrigeren Einkommen alles gestemmt bekommen in finanzieller Hinsicht. Mit dem Lebensunterhalt und so. Wie auch immer, weiter geht´s mit dem obligatorischen Platten-Spaziergang.

Sector 6, Bucuresti
Sector 6, Bucuresti
Ja, Rumänien ist in der EU
Ja, Rumänien ist in der EU
Klein aber fein, Style in Vollendung
Klein aber fein, Style in Vollendung
Strategisch günstig hingeschissene, sich wie ein Ei dem anderen gleichende und stets die gleichen Ableger internationaler Konzerne bietende Einkaufszentren gibt es viele in Bukarest, hier die nahegelegene Plaza România
Strategisch günstig hingeschissene, sich wie ein Ei dem anderen gleichende und stets die gleichen Ableger internationaler Konzerne bietende Einkaufszentren (ich hasse sie) gibt es viele in Bukarest, hier die nahegelegene Plaza România

Nach der Erkundung der Hotelumgebung stelle ich mich an eine Straßenbahnhaltestelle. Die Linie 41 fährt alle 3 Minuten. Das passt. Moment mal, die Endstation nennt sich Piata Presei. Der Pressepalast befindet sich direkt vor der vorhin aus dem Bus heraus abgelichteten, der Sowjet-Uni in Moskau nachempfundenen und aus dem fahrenden Bus geshooteten Sehenswürdigkeit. Mist, die Fahrt vom Flughafen ins Stadtviertel mit dem klangvollen Namen "Sector 6", in welchem sich das City Hotel Bukarest (der Name an sich ist schon recht dreist und irreführend gewählt) befindet hätte sich wesentlich unkomplizierter und effizienter gestalten lassen können. Immerhin weiß ich so schon heute, wie ich den morgigen Transfer zum Flughafen Otopeni gestalten werde. Das ist doch auch was. Und viel wert.

Sector 6, Bukarest
Sector 6, Bukarest

Der Stausee Lacul Morii befindet sich noch im Sektor 6 und ist rasch erreicht. Rasch eine Karte meiner heutigen Aktivitäten in Bukarest für dich.

An der Straßenbahnhaltestelle "Pod Ciurel" steige ich aus und schaue mir den Abfluss der Dambovita (w), dessen Quellgebiet das Fagarasgebrige (Top-Wandergebiet) ist, an.

Dambovita
Dambovita

Der Lacul Morii beziehungsweise die Staumauer für die Dabrovita wurde übrigens zum Zweck des Hochwasserschutzes errichtet und fungiert heute auch als beliebtes Naherholungsgebiet gestresster Großstädter. Die maximale Breite des Stausees beträgt zweieinhalb Kilometer, die Tiefe 15 Meter und sein Flächenmaß 246 Hektar. Der Inhalt des Sees? 14,7 Mio. m³. Genug der Fakten, nun will ich das Teil endlich in Augenschein nehmen und eine Asselbank mit Blick gen Westen erhaschen. Kaum habe ich den Wall erklommen weht es mich beinahe davon. Der Eiswind ist unerträglich. Binnen weniger Sekunden wird mir klar, dass die geplante Asselei am Seeufer ausfallen werden muss.

Die Staustufe selbst ist "Verbotene Zone" aka "Zona Interzisa"
Die Staustufe selbst ist "Verbotene Zone" aka "Zona Interzisa"
Staustufe des Lacul Morii, an diesem Wehr entspringt quasi der zweite Teil des Bukarest durchquerenden Flusses "Dabrovita"
Staustufe des Lacul Morii, an diesem Wehr entspringt quasi der zweite Teil des Bukarest durchquerenden Flusses "Dabrovita"
Ja, es ist bitter kalt!
Ja, es ist bitter kalt!
Alle drei bis vier Minuten brettern die Straßenbahnen der Linie 41 vorbei - sie sind allesamt gut fefüllt, insofern erfüllt die Taktung definitiv ihren Zweck
Alle drei bis vier Minuten brettern die Straßenbahnen der Linie 41 vorbei - sie sind allesamt gut gefüllt, insofern erfüllt die Taktung definitiv ihren ZweckAm Lacul Morii, Sector 6, Bukarest
Am Lacul Morii, Sector 6, Bukarest

Eine gediegene Asselei mit See- und Sonnenuntergangsblick muss ich mir also temperaturbedingt abschminken. Ganz schlaue Leser sagen jetzt "Kein Wunder, im Februar ist es halt saukalt in Bukarest" und sie haben im Grunde genommen Recht. Dennoch weise ich darauf hin, dass ich temperaturmäßig ein selten schlechtes Timing hingelegt habe. Letzte Woche bewegten sich die Temperaturen nämlich noch im knappen zweistelligen Bereich. Kacke gelaufen aber irgendwas ist bekanntermaßen immer. Wenn es nur die Temperaturen wären. Hauptausschlaggebend ist der eisige Wind.

Lacul Morii, etliche Asselbänke locken und müssen doch ignoriert werden, des abgefuckten Windes wegen
Lacul Morii, etliche Asselbänke locken und müssen doch ignoriert werden, des abgefuckten Windes wegen

Auch im Parcul Crângasi ist es kalt, dafür aber nicht windig. Eine halbe Stunde lang gelingt es mir, eine Seite des in Kiew erworbenen Büchleins zu füllen und schon bin ich nahezu schockgefrostet. Es ist kalt. Sehr kalt. Minus zehn Grad Celcius, sagt meine App.

Winterzauber im Parcul Crângasi, Bukarest
Winterzauber im Parcul Crângasi, Bukarest
Parcul Crângasi, Bukarest
Parcul Crângasi, Bukarest; es ist bemerkenswert, wie akkurat alle Wege geräumt und somit passierbar sind
Weihnachtliches Überbleibsel im Parcul Crângasi, Bukarest
Weihnachtliches Überbleibsel im Parcul Crângasi, Bukarest
Heute ist Valentinstag ( Parcul Crângasi, Bukarest)
Heute ist Valentinstag ( Parcul Crângasi, Bukarest)

Der Park weiß zu gefallen aber ich muss weiter, von der Eisekälte die mittlerweile in den ganzen Körper gekrochen ist, gepeinigt.

Bukarester Stadtteil Crângasi
Bukarester Stadtteil Crângasi

Mit der Straßenbahnlinie 41 fahre ich zurück ins des Spaziergangs wegen vertraute Gebiet und betrete eine Kneipe. Ich nenne das Kind mal beim Namen. Keine Eulen, nette Betreiber, gute Auswahl und Top-Preise. Dazu ist der Schuppen beheizt. Was will ich mehr? Ich pflanze mich, zücke mein Diary und lege los. Du möchtest wissen, wo sich der Laden befindet? Dann werfe doch gefälligst - äh - bitte einen Blick auf die oben eingebettete Landkarte und ziehe dir die Beschreibungen zu den gesetzten Markierungen rein.

In einer der höchst seltenen Kneipen mit freundlichem Personal und anständigem Klientel um mich herum lasse ich im Sector 6 den Tag ausklingen
In einer der höchst seltenen Kneipen mit freundlichem Personal und anständigem Klientel um mich herum lasse ich im Sector 6 den Tag ausklingen

Die Tochter der Betreiber befindet sich im Grundschulalter und ist verständlicherweise neugierig. In dieser Disziplin stehen ihr die gegenwärtigen Gäste der Schankwirtschaft übrigens keineswegs nach. Im Gegensatz zu denen traut sie sich jedoch erfrischenderweise, einfach mal unbekümmert zu fragen was ich so treibe. Sie will wissen, was ich da alles notiere. Und warum ich das mache. Und und und. Ein ganzes Gewitter an Fragen bricht über mich herein. Obwohl ich sie nicht verstehe und sie meine Handschrift sicher nicht lesen geschweige denn verstehen kann setzt sie sich neben mich und schaut auf die beschriebenen Seiten. Ihre Eltern sehen sich genötigt sie, sich bei mir entschuldigend, zu verscheuchen. Sie erklären ihr, dass ich nur englisch spreche und kein rumänisch verstehe. Schweren Herzens akzeptiert sie diese Botschaft. Jedoch, Beleg dafür ist unter anderem dass ich den Inhalt des Eltern-Kind-Dialogs wiedergeben kann, verstehe ich sehr wohl rumänisch, allerdings lediglich rudimentär. Und ich bin zugegebenermaßen unfähig, mich auf rumänisch brauchbar und situationsübergreifend verständlich zu machen. Französisch deutsch auszusprechen ist notfals eine meist erfolgsversprechende Option.

Wie auch immer, nach einer halben Stunde wird die Kleine von ihrer Omi abgeholt. Nach dem Verlassen der Kneipe gehe ich noch zu einer auf Foursqare (kannte ich bislang auch nicht, kann aber hilfreich sein) attraktiv erscheinenden und beinahe auf dem Weg liegendenden Gaststätte namens "Birria". Kurz gehe ich rein und sofort wieder raus. Seelenlos, hypermodern, steril und beliebig. Nichts für mich.

Von außen wie von innen seelenlos modernisiert, die Gaststätte Birria im Sector 6, Bukarest (ein Blick ins Innere reicht und schon bin ich weg)
Von außen wie von innen seelenlos modernisiert, die Gaststätte Birria im Sector 6, Bukarest (ein Blick ins Innere reicht und schon bin ich weg)

Wenige Gehminuten später erreiche ich mein Hotel. Duschen, morgige Flugzeiten verifizieren und ab ins Reich der Träume.

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