Ukraine im Oktober
2018: Mietwagentour
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Tag 7: Winnyzja - Kodnya - Berdytschiw (lediglich "Durchfahrt" aber immerhin nicht "Umgehung"; zu sehen gibt es offenbar kaum etwas dort) - Schytomyr
Beim Frühstücks- handelt es sich eher um ein Brunch-Buffet: damit haben wir nicht gerechnet, ganz große Klasse. Letzten Endes kann ich mich nur wiederholen, das Hotel Optima in Vinnytsia ist uneingeschränkt weiter zu empfehlen. Und nein, ich bekomme nachwievor von niemandem auch nur einen einzigen lausigen Cent für das, was hier ich schreibe, erstelle und veröffentliche. Hätte allerdings auch keinen Einfluss über die Art und Weise meiner Berichterstattung.
Wie auch immer, BA und ich starten jedenfalls pappsatt in den Tag und fahren Richtung Norden nach Schytomyr. Allzu viele Kilometer haben wir nicht vor uns und die Straße ist in gutem Zustand, da darf es hier und dort auch mal abseits der Hauptstraßen entlang gehen.
Den ersten von vielen Zwischenstopps legen wir in einem verschlafenen Ort ein, wo wir den Mietwagen vor der Dorfschule parken und uns die Beine vertreten. Wie der besagte Ort heißt lässt sich heute, beim Tippen dieser Zeilen, nicht mehr herausfinden. Sorry.
Zwischenstopp in einem
kleinen, irgendwie idyllischen Dorf
Kaum sind wir ausgestiegen kommt eine ältere Dame aus dem Schulgebäude und fragt uns etwas. Ohne eine Antwort unsererseits abzuwarten fängt sie an zu palavern. Es dauert, bis sie rafft, dass wir kein Wort verstehen. Wir wissen bis heute nicht, was die Gute uns da erzählt hat aber lustig war die Situation irgendwie schon.
Schulgebäude des Dorfes,
dessen Namen ich leider nicht mehr weiß (und welches ich auf der Landkarte
leider nicht mehr ausfindig zu machen vermag)
Idylle pur, irgendwo in
der Nähe der Hauptstraße von Vinnytsia nach Schytomyr
Wir lassen die Karre wie gesagt stehen, drehen eine kleine Runde zu Fuß und kommen dabei an einem Kriegsdenkmal, einer noch im Bau befindlichen orthodoxen Kapelle sowie einem ziemlich stylishen Fussballplatz vorbei.
Kriegsdenkmal im Dorf,
dessen Namen ich nicht mehr weiß
Hinter jedem Namen steckt
ein Mensch
Noch im Bau befindliche
orthodoxe Kapelle
Ziemlich
stylisher Dorf-Fussballplatz
Plötzlich entdecken wir am rechten Fahrbahnrand ein braunes, auf eine Sehenswürdigkeit hinweisendes Schild auf dem eine Kirche abgebildet ist. Kirchen gibt es viele in der Ukraine - das heißt vermutlich, dass es sich bei jener in Kodnya um ein besonders ansehnliches / geschichtsträchtiges Exemplar handeln dürfte. Und da wir den dörflichen Charakter in der Ukraine zudem sehr zu schätzen wissen biegen wir einfach mal wieder spontan von der Hauptstraße ab.
Reges Treiben in der Ortsmitte
von Kodnya, welches wir nicht zu stören gedenken und deshalb auf eine
nähere Inspektion verzichten
Kodnya ist ganz nach unserem Geschmack und bietet alles, worauf BA und ich abfahren: beschaulichen wie authentischen (völlig untouristischen) Style, eine schmucke Kirche, eine über ein ansehnliches Rathaus, einer Pinte und einen Laden verfügende Dorfmitte und einer kleinen Prise Endzeitstimmung. Hier ließ es sich auch gut für länger aushalten aber a) gibt´s in Kodnya keine Bude (für eine Nacht im PKW wäre es zu kalt) und b) ist´s gerade mal Mittagszeit. Zudem haben wir Bock auf Schytomyr.
Endzeitstimmung vermitelndes
Gebäude in Kodnya
Endzeitstimmung vermitelndes
Gebäude in Kodnya
Ehemaliger, etwas dezentraler
Dorfladen in Kodnya (in der Dorfmitte gibt es noch einen)
Sehenswerte, leider nicht
zugängliche Kirche von Kodnya (Schytomyr Distrikt)
Kirche von Kodnya (Schytomyr
Distrikt)
Ganz in der Nähe der Kirche von Kodnya befindet sich ein uraltes Siedlungsgebiet, und zwar auf einem Hügel beim Fluss Kodnyanka. Hier gibt´s ein Top-Foto davon.
Gemütliche Häuser
in Kodnya
Die harmonisch-beruhigend-entschleunigend-unspektakuläre
Landschaft weiß zu gefallen, so wie hier am Kodnyanka Fluss bei Kodnya
Am Ortsrand von Kodnya
Die auch heute wieder wertvolle Dienste leistende mapy.cz-App (Modus "Turisticka") zeigt einen über eine Buckelpiste erreichbaren Aussichtsturm an, auf den wir selbstredend massiv Bock haben. Wir biegen also ab und kriechen im Mietwagen slalomfahrend Richtung Turm. Hin und wieder muss BA aussteigen und die Idealspur ermitteln, während ich wie ein Achtarmiger am Lenkrad hin- und her drehe. Die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt bei 5 Km/h, quasi Gehtempo. Oh man.
Selbst dieses Foto vermag
nicht ansatzweise einen Eindruck davon zu vermitteln, wie mies es um die Pistenverhältnisse
in Wirklichkeit bestellt ist
Der Aussichtsturm ist ereicht und stellt sich als millitärisch genutzt heraus. Sind also umsonst her geeiert. Da wir keine Lust darauf haben, uns das elende Stück Piste zurück zur Hauptstraße erneut zu geben und es sowohl gemäß google als auch laut mapy.cz die Möglichkeit geben müsste, weiterzufahren und eine andere richtige Straße zu erreichen fahren wir optimistisch weiter. Plötzlich müssen wir an einer heruntergelassenen Schranke samt Stop-Schild anhalten. Und fluchen, da es hier nicht weiter geht und wir somit umdrehen müssen.
Für weniger als 5 Km benötigen wir eine Dreiviertelstunde. Hin und zurück, richtig gerechnet werter Leser dieser Zeilen, haben wir inklusive kurzer Pausen über anderthalb Stunden im wahrsten Sinne des Wortes in den Sand gesetzt. Klar, es gibt schlimmeres aber ein bischen Fluchen darf bei so einer Eselei dann ruhig mal drin sein.
Na geil, hier heißt
es dann: umdrehen und die ganze Scheiße nochmals von vorn (bzw. von
hinten, d.h. in umgekehrte Richtung)
Am Horizont lockt bereits
unser Tagesziel Schytomyr mit seiner beeindruckenden Vorstadt-Platten-Skyline
Nach dem Herumgegurke sind wir heilfroh, wieder richtigen Asphalt unter den Reifen zu wissen und ballern durch bis auf den Hotelparkplatz vom Hotel Reikartz. Um die 40,- Euro sind fällig für das regelrecht luxuriöse Zweibettzimmer samt Frühstücksbuffet, und zwar wieder einmal für beide Nasen zusammen.
Blick aus dem Hotelzimmerfenster
unserer Top-Bude im Top-Hotel "Reikartz Schytomyr" auf die sogenannte
"Sviato-Khrestovozdvyzhenskyi kafedralnyi sobor"
Nach dem Check in lassen wir den heute wieder arg strapazierten Miet-Fiesta stehen und machen zu Fuß los. Schytomyr wartet auf uns und wird uns, soviel nehme ich gern vorweg, nicht enttäuschen - ganz im Gegenteil. Zur Einstimmung auf die Stadt gleich mal ein paar Passagen des Artikels (w) auf Wikipedia:
"Schytomyr (polnisch Zytomierz) ist eine Stadt mit knapp 300.000 Einwohnern in der nördlichen Ukraine, 120 km westlich von Kiew und 150 km südlich der Grenze zu Weißrussland. Schytomyr ist Verwaltungssitz des gleichnamigen politischen Bezirks Oblast Schytomyr. Die Stadt liegt in einer welligen Landschaft am Fluss Teteriw, der in den Dnepr mündet. Sie ist Verkehrsknotenpunkt, Industriezentrum und kultureller Mittelpunkt mit Hochschulen, Theater und Museen.
Verkehrsmäßig ist sie im Kreuzungspunkt je zweier Fernstraßen und zweier Bahnstrecken gut erschlossen. Alle vier Linien verlaufen annähernd nach den vier Himmelsrichtungen. Wirtschaftlich dominiert der Maschinenbau und in agrarischer Umgebung die Lebensmittelindustrie. In der Nähe wird vorzüglicher Marmor abgebaut.
Schytomyr ist bekannt für seine Gärten, Parks und grünen Alleen, besonders für die längs der felsigen Ufer des Teteriw, an dessen Ufern sich auch das Denkmal zur Erinnerung an den Unbekannten Soldaten befindet.
Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion war Schytomyr 1941 bis 1944 als Generalbezirk Bestandteil des deutschen Reichskommissariats Ukraine und rückwärtiges Heeresgebiet. Im nördlichen Teil, durch den auch die Nordbahn über Korosten nach Brest führte, war die deutsche Kontrolle aber durch Partisanenverbände erheblich beeinträchtigt. Dies galt zunehmend auch für die Südbahn über Berditschew und Schepetowka nach Kowel. 1943/44 kam es im Großraum Schytomyr zu heftigen und sehr verlustreichen Kämpfen zwischen der deutschen Wehrmacht und der letztlich siegreichen Roten Armee".
(Katholische) Kathedrale
der heiligen Sophia, Schytomyr
Naturkundemuseum von Schytomyr
Schmuckes Gotteshaus in
Schytomyr
Parkgelände beim Hotel
Reikartz Schytomyr, der Felsbrocken erinnert an die Gründung der Stadt
im Jahre 884
Gerichtsgebäude vom
"Korolyevskiy Distrikt", Schytomyr
Unterwegs in Schytomyr,
rechts die Theater- und Konzerthalle
Unterwegs in Schytomyr,
auf geht´s ins Zentrum der Stadt, die uns auf Anhieb gefällt
St. Michaelskathedrale
in Schytomyr (links von eben jener beginnt die Fußgeherzone, die Mykhailivska
Straße)
Unterwegs in der Fußgängerzone
(Mykhailivska Straße) von
Schytomyr
Schytomyr nimmt tatsächlich den ersten Platz im Ranking der während dieses Roadtrips besuchten Orte ein. Die Atmosphäre ist einladend, die Leute schauen gut gelaunt aus und in der Fußgeherzone ist mächtig Betrieb. Die Parkanlagen, die Fußgängerbrücke über den Teteriw-Fluß und teilweise arg stylishe Bauten erledigen ihr übriges um uns beide Daumen für Schytomyr nach oben strecken zu lassen. Und ein Café in der Fußgeherzone, der Mykhailivska Straße, sorgt dafür, dass wir uns kurz pflanzen.
Hier im Außenbereich
des sensationell bepreisten, astreines Fassbier ausschenkenden Wirtshauses
in der Fußgängerzone von Schytomyr lässt es sich prima aushalten,
keine Frage
"Kurz pflanzen" ist gut: nach einer Weile schlagen wir Wurzeln, das trifft den Nagel auf dem Kopf. Woran das liegt? Als erstes hat uns ein starker Kaffee nach vorn gebracht und dann hat uns das hier ausgeschenkte Fassbier hinsichtlich der Qualität überrascht. Und so sitzen wir eine ganze Weile über alles mögliche philosophierend und Passanten beobachtend herum und lassen es uns gutgehen. Der Name des Top-Etablissements lautet, dies dürfte potentielle Nachahmer interessieren, Café Grill. Ein echter Top-Laden, Amigos.
Gebäude der Regionalverwaltung,
Schytomyr
Dem Raketen-Konstrukteur
und Weltraumpionier namens Sergei Pawlowitsch Koroljow (w)
gewidmetes Denkmal in seiner Geburtsstadt Schytomyr
Schytomyr, überragend
stylishes Gebäude (in welchem ein Lichtsspielhaus beheimatet ist)
Außer BA und mir
sind etliche weitere Flaneure in Schytomyrs Innenstadt und natürlich
auch ganz besonders in den Parkanlagen unterwegs
Schytomyr stand übrigens schon vor gut einem Jahr auf meinem Zettel, und zwar im Rahmen eines Kiew-Trips. Die Fußgängerbrücke über den Teteriw und dessen felsige Ufer hatten es mir, gepaart mit dem glücklichen Umstand, dass die Stadt von Kiew aus rasch und unkompliziert erreichbar ist, angetan. Irgendwie kam es nicht dazu aber vergessen hatte ich Schytomyr natürlich nicht. Und, yeah, heute ist es also endlich soweit, heute latsche ich (zusammen mit BA) über die besagte Brücke und bestaune die schöne Landschaft.
Fußgängerbrücke
über den Teteriw
Schytomyr, hoch über
dem Teteriw
Kurz ein paar weiterführende Informationen über den Teteriw, wie üblich aus dem zugehörigen Wikipedia-Artikel (w) herausgezogen:
"Der Teteriw ist ein Fluss in der Ukraine. Er ist ein rechter Nebenfluss des Dneprs in der Dneprtiefebene und Polesien. Er hat eine Länge von 365 km und ein Einzugsgebiet von 15.100 km². Im Oberlauf fließt er bis zur Stadt Radomyschl durch das ukrainische kristalline Massiv in einem schmalen Tal mit hohen Ufern. Im Unterlauf weitet sich das Tal des Teteriw in Polesien auf bis zu 4 km, die Breite des Flusses beträgt 40 bis zu 90 m, bevor er in den zum Kiewer Stausee aufgestauten Dnepr mündet. Der Teteriw wird überwiegend durch Schnee und Regen gespeist. In der Regel ist er von Dezember bis März zugefroren."
Schytomyr, spektakuläre
Fußgeherbrücke über den Teteriw
Auf dem Weg zurück zum Hotel ziehen wir uns eine Pizza und zudem noch leckeres Essen von einem Marktstand rein.
Hmmmmmm, leckeres Essen
von einem Marktstand
Bodenständig-rustikales
Essen vom Marktstand
Auch das
Café Grill wird nochmals beehrt, allerdings zwecks Aufnahme flüssiger
Nahrung. Wir lassen die Kirche allerdings im Dorf und ziehen uns noch im Hellen
wieder ins Hotelzimmer zurück, da morgen ein langer und recht anstrengender
Tag (besonders für BA) auf uns wartet. Ach, eins noch: gestern schrieb
ich "Vinnytsia hat uns von allen Städten bislang am besten gefallen"
- vergiss es, echt. Schytomyr ist ab heute meine Lieblingsstadt der Ukraine.
Schytomyr hat einfach "Stil", wie Doc Brown sagen würde.