Japan, Mai 2016
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Tag5: Kagoshima - Kumamoto - Kokura (Kitakyushu)

Ein neuer Tag beginnt, und zwar auf die gleiche Art und Weise wie immer während dieses Trips, mit einem Bad in der Hotelzimmerbadewanne. Die ich zuhause sehr vermissen werde. Anschließend studiere ich Abfahrts- und Ankunftszeiten der heute relevanten Züge. Erstmals, und diese Premiere weckt Stürme der Euphorie und Begeisterung in mir, werde ich heute Shinkansen fahren.

Recherchearbeit, Sunflex Kagoshima
Recherchearbeit, Sunflex Kagoshima

Ran ans Frühstück. Heute habe ich zur Abwechslung das "Western Breakfast" gewählt. Hätte allerdings bein landestypischen bleiben sollen.

Western Breakfast, Hotel Sunflex Kagoshima
"Western Breakfast", Hotel Sunflex Kagoshima

Am Bahnhof Chuo besorge ich mir als erstes eine Platzreservierung. Eine solche kostet so weit ich weiß streckenabhängig extra, und zwar ordentlich. Ich gehe in ein Reservierungszentrum, nenne meine Verbindung und bekomme eine Karte mit der Platznummer. Perfekt. Und völlig unkompliziert. Manche Quellen im Internet machen aus dem Prozedere wie auch dem des anschließenden Sitzplatz- und Waggonsuchens eine regelrechte Wissenschaft. Kann ich nicht nachvollziehen. Hätte mich im Vorfeld der Reise nicht verrückt werden machen sondern einfach auf meinen durchaus vorhandenen gesundenen Menschenverstand, Intuition und die hervorragende Durchorganisiertheit anscheinend aller Prozesse in diesem Land verlassen sollen. Einzige Herausforderung sind die Schriftzeichen und die Tatsache, dass erstaunlich wenige Einheimische brauchbare Fremdsprachenkenntnisse vorzuweisen haben. Bin aber dennoch, auch das nehme ich vorweg, stets bestens klargekommen und immer verstanden worden. Das Zeigewörterbuch jedenfalls hätte ich definitiv zuhause lassen können; habe ich ohnehin noch nie, auf keiner meiner Reisen, benötigt.

Kumamoto und Kagoshima haben sich anscheinend lieb und gehen Hand in Hand
Kumamoto und Kagoshima haben sich anscheinend lieb und gehen Hand in Hand (vielleicht hat das auch etwas mit "Solidarität wegen der schweren Erdbeben" zu tun)

Beim Betreten der Shinkansen-Plattform zeige ich artig meinen Railpass vor, glaube aber dass auch hier das Blackticket einsetzbar gewesen wäre. Der kurze Ritt von Kagoshima Chuo über Kumamoto nach Kokura (Shinkansenbahnhof von Kitakyushu) hätte übrigens inklusive Platzreservierung ¥ 12.690 (circa 110,-€ ) gekostet. Soviel schonmal zum Thema "Rentablität des JR-Pass".

Shinkansen-Plattform
Shinkansen-Plattform, Kagoshima Chuo
Kagoshima Chuo, mein erster gesichteter Shinkansen
Kagoshima Chuo, mein erster gesichteter Shinkansen

Während ich auf den Shinkansen nach Kumamoto warte wird mir besonders deutlich bewusst, was für ein Glück ich doch habe. Generell. Im momentanen Detail manifestiert sich eben jenes in der Tatsache, dass ich überhaupt von Kagoshima Chuo (südlichster Endpunkt des Shinkansen-Netzes) Richtung Kumamoto und weiter nach Kitakyushu brettern kann. Vor einigen Wochen erschütterten mehrere heftige Erdbeben das Land (hier der Wikipedia-Artikel zum Thema "Kumamoto-Erdbeben"), bei denen nicht nur die berühmte Burg von Kumamoto (von der ich ehrlicherweise vor dieser Reise noch nie etwas gehört hatte) sondern auch das Shinkansengleis übel zugerichtet wurde. Seit ein paar Tagen ist das Schienennetz wieder komplett repariert. Die Burg jedoch ist leider weit von einem solchen Zustand entfernt.

Mein Shinkansen rollt ein, paar Leute steigen aus. Die Wartenden stellen sich in Reihen auf, an den jeweiligen nummerierten Eingängen ihrer Waggons. Als erstes huscht eine Putzkolonne hinein. Bahnangestellte stellen sich vor den Eingang. Die Reinigungskräfte verlassen den Zug, die Bahnangestellten geben den Weg frei und die Leute nehmen Platz. Kein Hexenwerk.

Pünktlich auf die Sekunde (!) fährt der Zug los. Die Pünktlichkeit ist sprichwörtlich, alles läuft präzise wie ein Top-Uhrenwerk. Interessant und hübsch anzusehen übrigens, dass jeder Bahnmitarbeiter sich vor dem Verlassen des Waggons umdreht, verbeugt und verabschiedet. Ehe er/sie in den nächsten weiter geht. Die liebreizende südjapanische Landschaft fliegt vorbei, ich schaue aus dem Fenster und bin gut drauf. Hier eine Karte für dich.

Die Laune trübt sich allerdings als es mächtig zu schiffen beginnt.

Bahnhof Kumamoto
Shinkansen-Plattform im Bahnhof Kumamoto
Dieses Getränk wähle ich sicher nicht
Dieses Getränk wähle ich sicher nicht
Der Bahnhofs-Chef von Kumamoto heißt mich aufs Herzlichste Willkommen
Der Bahnhofs-Chef von Kumamoto heißt mich aufs Herzlichste Willkommen

Außer dem Bahnhofs-Chef von Kumamoto heißt mich unerfreulicherweise auch sintflutartiger, dauerhafter Regenfall willkommen. Kacke. Was soll´s, wo ich schonmal hier bin will und darf ich mir einen Blick auf die Burg nicht nehmen lassen und fahre mit der Straßenbahn hin.

Dauerregen in Kumamoto, würg
Dauerregen in Kumamoto, würg
Dauerregen in Kumamoto, würg
Dauerregen in Kumamoto, würg
Kato Kiyomasa (übrigens dem Christentum gegenüber nicht besonders positiv gesinnt) gewidmetes Denkmal
Kato Kiyomasa (übrigens dem Christentum gegenüber nicht besonders positiv gesinnt; w) gewidmetes Denkmal
Kein Idealwetter aus touristischer Sicht
Kein Idealwetter aus touristischer Sicht
Kack-Wetter!
Kack-Wetter!
Burg von Kumamoto
Burg von Kumamoto aka Ginkgo-Burg (w)

Ein großer Teil der Burganlage ist von den schweren Erdbeben arg in Mitleidenschaft gewogen worden und derzeit nicht besuchbar. Immerhin ist es mir gelungen, einen Blick von außen auf das imposante, geschichtsträchtige Bauwerk zu werfen. Zurück zum Bahnhof nutze ich wieder die Straßenbahn. Beim Verlassen eben jener werfe ich den passenden Münzbetrag in die Schale und sehe erstmals, dass der Batzen Kleingeld automatisch gezählt und das Resultat dem Fahrer elektronisch angezeigt wird. Hier gilt das BT in Gestalt einfach dumm-dreist zuwenig reingeworfener Münzen also nicht. Die große Frage, was der Fahrer machen würde wenn man einfach ohne zu bezahlen sein Vehikel verlassen würde bleibt. Aber wie schon erwähnt, selbst mir würde es hierzulande schwer fallen das Blackticket zu nutzen oder gar verwerflichere Dinger durchzuziehen.

Bahnhof Kumamoto
Bahnhof Kumamoto

Diese Barrieren lassen sich gewiss auch mit einem BT passieren; rechts sieht man den Kontrolleur mit Mütze und Armbinde

Schon wenig später bin ich, natürlich pünktlich auf die Minute, in Kokura. Mein Hotel befindet sich praktischerweise weniger hundert Meter vom Shinkansenbahnhof entfernt.

Hotel JR Kokura
Hotel JR Kokura

Der Check In ist fix erledigt. Das Zimmer ist wie irgendwie alle meinerseits während dieses Trips genutzten. Sauber, kompakt, wohlklimatisiert und über eine kompakte und dennoch zugleich bemerkenswert geräumige Badewanne verfügend. Wifi läuft, der Ausblick ist wie gewünscht Richtung Bahnhof gegeben und ich bin zufrieden.

Der Ausblick Richtung Bahnhof Kokura ist wie gewünscht gegeben
Der Ausblick Richtung Bahnhof Kokura ist wie gewünscht gegeben

Schnell ein Bad nehmen lautet mein Motto. Draußen regnet es ohnehin in Strömen. So ein Mist. Jeder weiß, was ich von Mist halte. Ich hasse Mist!

Blick über Kitakyushu
Blick über Kitakyushu

Nach dem Bad schaue ich durchs Fenster und bin begeistert. Es regnet nicht mehr. Ja ist das denn zu fassen? Nichts wie los, Kitakyushu wartet. Und auf diese Stadt bin ich heiß, stellt sie doch für mein Empfinden das Paradebeispiel einer ordinären, unverfälschten untouristisch-typisch-japanischen Stadt dar. Nichts wie los.

Ich liebe Japan alleine schon für sowas...
Ich liebe Japan alleine schon für sowas...
Ich liebe Japan alleine schon für sowas...
... und/oder für sowas

Als erstes gehe ich zum Reservierungszentrum und sichere mir den Sitzplatz für den morgigen Ritt nach Hiroshima. Die Bediensteten können kaum englisch und müssen sich zusammentun um mein Anliegen zu bearbeiten. Sehr gut. Ein Indiz dafür, dass es nicht allzu viele Touristen hierher verschlägt und ich folgerichtig die Authenzität der Stadt von Vornherein angemessen bewertet habe.

Platzreservierungsbüro Kitakyushu
Platzreservierungsbüro Kitakyushu
Futurama oder einfach nur Kitakyushu (Kokura)?
Futurama oder einfach nur Kitakyushu (Kokura)?
Shopping-Mall oder besser gesagt Einkaufszentrum in der Nähe des Shinkansenbahnhofs Kokura
Shopping-Mall oder besser gesagt Einkaufszentrum in der Nähe des Shinkansenbahnhofs Kokura
Was machen die denn da?
Was machen die denn da?

Kokura Station (steht ja auch drauf)
H.I.S. hat definitiv ein saugeiles Motto bzw. einen Top-Slogan!
H.I.S. hat definitiv ein saugeiles Motto bzw. einen Top-Slogan!
Kitakyushu
Kitakyushu

Kitakyushu, überdachte Einkaufspassage
Kitakyushu, überdachte Einkaufspassage
Kitakyushu, ein weiteres Einkaufszentrum
Kitakyushu, ein weiteres Einkaufszentrum
Da greife ich doch glatt mal zu, mal sehen als was es sich geschmacklich entpuppt; was es wirklich ist und aus welchen Inhaltsstoffen es besteht werde ich wohl niemals herausfinden und das ist vermutlich auch gut so...
Da greife ich doch glatt mal zu, mal sehen als was es sich geschmacklich entpuppt; was es wirklich ist und aus welchen Inhaltsstoffen es besteht werde ich wohl niemals herausfinden und das ist vermutlich auch gut so...
Kitakyushu
Kitakyushu
Darf in Japan natürlich, klischeebedienend und dennoch typisch, nicht fehlen - die Daddelhalle
Darf in Japan natürlich, klischeebedienend und dennoch typisch, nicht fehlen - die Daddelhalle

Meine Stadterkundung beschränkt sich der fortgeschrittenen Uhrzeit wegen leider auf das Zentrum, wobei das Schloss Kokura den Ankerpunkt darstellt. Entsprechend gestalte ich die ansonsten vollkommen planlos wie intuitiv gestaltete Route meines ausgiebigen Spaziergangs. In einem Einkaufs- befindet sich ebenfalls ein Kulturzentrum. Dort freue ich mich über eine Top-Aussichtsterasse.

Top-Aussicht aufs Kokura-Schloss, Kitakyushu
Top-Aussicht aufs Kokura-Schloss, Kitakyushu
Top-Aussicht von einem der vielen Einkaufszentren, Kitakyushu
Top-Aussicht von einem der vielen Einkaufszentren, Kitakyushu

Schloss Kokura (w) aka Kokura Castle

Zum Schloss zieht es mich nun. Kurz vorm Erreichen des Ziels entdecke ich einen schönen Garten, samt Schrein und Tempel und Figuren und so. Habe ja keinen blassen Schimmer von den hiesigen Religionen, daher weiß ich das vorgefundende nicht zu bennenen. Aber das es mir hier sehr gut gefällt weiß ich sehr wohl zu bennenen. Eine überragend schöne, im positiven Sinne fesselnde Atmosphäre.

Religiöse Stätte neben dem Kokura-Schloss
Religiöse Stätte neben dem Kokura-Schloss
Religiöse Stätte neben dem Kokura-Schloss
Religiöse Stätte neben dem Kokura-Schloss

Religiöse Stätte neben dem Kokura-Schloss

Religiöse Stätte neben dem Kokura-Schloss
Religiöse Stätte neben dem Kokura-Schloss
Religiöse Stätte neben dem Kokura-Schloss
Kokura-Schloss
Kokura-Schloss
Blick zurück vom Kokura-Schloss gen Einkaufszentrum, Kitakyushu
Blick zurück vom Kokura-Schloss gen Einkaufszentrum, Kitakyushu
Ich liebe diese Schilder, Plakate, wie auch immer...
Ich liebe diese Schilder, Plakate, wie auch immer...
Kitakyushu
Kitakyushu
Kitakyushu
Kitakyushu (w)

Das Hauptprogramm ist meinerseits abgespult. Und ich bin einigermaßen nicht ab- sondern weggespult ob der vielen schönen Eindrücke einer typisch japanischen, touristisch recht uninteressanten Großstadt.

7/11s gibt es wie schon erwähnt überall aber ich habe einfach keinen Bock auf Corndogs und Konsorten
7/11s gibt es wie schon erwähnt überall aber ich habe einfach keinen Bock auf Corndogs und Konsorten

Ich will und muss almählich mal was futtern. Entsprechend schärfe ich meine Sinnesorgane und halte Ausschau nach meinen Kriterien entsprechendem Mampf. Wie die Kriterien lauten? Eigentlich ist es nur ein Kriterium, allerdings auf zwei Ebenen. Es lautet: Verträglichkeit. Die Ebenen nennen sich "geschmacklich" und "finanziell". Vor einem Anbieter von Mitnahme-Essenskartonagen (Take-Away-Food-Boxes; soviel einfacher ist die meiner Meinung nach inflationäre Verwendung der allgegenwärtigen Anglizismen nun auch wieder nicht, Freunde der Sonne) scharren eine Menge Locals mit den Hufen. Hm. Warum gehen die nicht einfach in den Laden? Abwarten, beobachten, das ist nun mein Motto. Sieh mal einer an, Gongschlag zur vollen abendlichen Stunde kommt ein Angestellter aus dem Laden und beginnt, die Ware preislich zu reduzieren. Plötzlich kostet alles die Hälfte. Bingo. Ich greife hier und dort spontan (innerhalb von fünf Minuten ist alles weggegrabscht) zu und überwinde bei einigen in den Einkaufskorb gelegten Produkten die "Was der Bauer nicht kennt... " Attitüde, derer ich mich nicht freizusprechen vermag. Mit gut gefülltem Proviant-Säckerl (Neue Hüpferlitasche) latsche ich via Kokura Bahnhof zurück ins Hotel.

Beim Kokura Bahnhof
Beim Kokura Bahnhof

Im Zimmer gönne ich mir ein weiteres Bad. Oh, wie werde ich diese Badewannen zuhause vermissen.

Dann schaue ich aus dem Fenster. Treibe mich ein wenig in den Weiten des Internets herum und haue mich hin. Ein paar Snacks sind heute ausnahmsweise mal gestattet.

Abendlicher Blick aus dem Hotelzimmerfenster, Shinkansenbahnhof namens "Kokura"
Abendlicher Blick aus dem Hotelzimmerfenster, Shinkansenbahnhof namens "Kokura"
Erbsen-Snack
Erbsen-Snack
Der Typ unten rechts übertreibt, die Teile sind gar nicht derart feurig sondern eher lame...
Der Typ unten rechts übertreibt, die Teile sind gar nicht derart feurig sondern eher lame (englisch auszusprechen)...

Zeitig reise ich ins Dreamland. Voller Vorfreude auf den morgigen Tag. Kurz noch ein Fazit zur Stadt. Kitakyushu hat mir bestens gemundet. Leider hatte ich nicht ansatzweise genug Zeit, um alle Sehenswürdigkeiten (teils eigener Definition, versteht sich hoffentlich) wegzuscheppern. Es soll beispielsweise abendliche Bootsfahrten durch recht bronxige anmutenden Hafenanlagen geben. Auch die Brücke rüber über die sogenannte Kammon-Straße wäre ein Top-Ziel gewesen. Oder einer der Strände. Es gibt soviel zu sehen und zu entdecken, dass alleine diese Stadt mindestens einen ganzen langen Tag vom Anfang bis zum Ende verdient gehabt hätte. Aber da meine Zeit traurigerweise derart limitiert ist muss ich halt an allen Ecken und Enden kürzen, streichen und verzichten. So ist es wohl, das Leben. Man muss hier und dort Abstriche machen. So auch ich.

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