Rumänien Kurztrip mit Bahn, Bus, Taxi und Flugzeug
Dortmund / Holzwickede - Otopeni - Bukarest - Brasov (Kronstadt) - Sibiu (Hermannstadt) - Cluj (Klausenburg) - Dortmund / Holwickede, Oktober 2014
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Tag4: Brasov - Sibiu

Früh am Morgen fährt der Bus vom Brasover Bahnhof nach Sibiu. Ohne mich. Manchmal läuft´s, manchmal nicht. Heute ist der Wurm drin, denn bei meiner Ankunft am abfahrbereiten Kleinbus sagt mir der Chauffeur furztrocken in die bereits durch Furcht entgleiste Visage, dass er keinen Platz für mich hat. Und fährt los. Da stehe ich nun und benötige den Rat meiner besseren Hälfte daheim. Die leider keine guten Informationen für mich hat. Der nächste Bus nach Sibiu fährt erst am Nachmittag. Mittags jedoch fährt angeblich einer vom außerhalb der Stadt gelegenen Busbahnhof - meine einzige Option, denn an einen Zug brauche ich der mysteriös-miesen Streckenführung in Kombination mit der extrem dünnen Taktung leider gar nicht denken. Ich habe keine Ahnung, wie ich zum Busbahnhof von Kronstadt kommen soll und kapere deshalb ein Taxi. Nach zehn Minuten Fahrt stehe ich da und fange an zu lachen. Erst innerlich, dann äußerlich.

Junge Junge, wo bin ich denn hier gelandet? Im ostigen Pendant zum australischen Outback? Irgendwo bzw. irgendwann in der endzeitmäßigen Zukunft? Die nun folgenden (wenn alles planmäßig läuft drei) Stunden des Wartens werden kein Kinderspiel, soviel ist bereits auf den ersten Blick sicher.

Brasov, Busbahnhof außerhalb der Stadt
Action in den Verkaufsständen am endzeitmäßig daherkommenden Busbahnhof 2 von Brasov; die Cafe Bar " La Klau" kooperiert doch wohl nicht mit dem Teil zwischen Terezin und Litomerice... ?

Akklimatisiert arrangiere ich mich erstaunlich schnell mit der Situation und raffe, dass es überhaupt nichts bringt, sich zu ärgern oder Frust zu schieben. "Es ist wie es ist". Und "bislang ist immer alles gut gegangen". Und "später werde ich (vielleicht; ganz vielleicht) mal darüber lachen". Und so weiter. Das sind die Gedanken, die ich mir statt dessen selbst zuraune. Es wirkt und so kümmere ich mich als erstes darum, die Abfahrtszeit des nächsten Vehikels nach Hermannstadt in Erfahrung zu bringen. Hier bringt mich ein Hangaround, dessen Worten ich normalerweise nicht allzu viel Bedeutung geschweige denn Wahrheitsgehalt beimessen würde, weiter. Da es keine aktuellen Aushänge mit Ab- und Abfahrtszeiten gibt, vertraue ich seiner Zeitangabe: 13h, ungefähr. Mal früher, mal später. Super, da bleibt mir ja noch genug Zeit um mir hier alles anzusehen und das Treiben zu genießen. Quatsch! Natürlich keimt sie nun wieder auf, die Pflanze des Zorns. Die des Frusts und der Aggression ebenfalls. Ich suche mir deshalb einen Sitzplatz abseits des arg überschaubaren Geschehens, von dem aus ich alle aufs Areal fahrende Busse angaffen und einen Blick auf die Destinationsschildchen hinter deren Windschutzscheiben werfen kann und ziehe mein Tb aus Prag.

Brasov, Busbahnhof außerhalb der Stadt
Brasov, Busbahnhof außerhalb der Stadt

Irgendwie tut mir das stumpfe Herumhängen gut. In meinem Kopf herrscht nach wenigen gefüllten Seiten gähnende Leere und ich erreiche so eine Art Meditationszustand, vergleichbar mit jenem damals in Garajau. Lasse mich mental treiben und genieße das alles tatsächlich. Nach einer guten Stunde ist es vorbei mit dem Meditieren, ich habe Hunger und beobachte einen Imbiss, an dem es seit zwölf Uhr sowas zugeht als gäbe es dort etwas umsonst. Durst habe ich auch, doch in weiser Vorraussicht bin ich äußerst sparsam in der Wasserzufuhr, denn der Bus nach Sibiu kann jederzeit um die Ecke biegen und wird sicher kein Klo an Bord haben.


Brasov, Busbahnhof außerhalb der Stadt: den Fastfoodtempel mit den roten Bistro-Stehtischen kann ich wärmstens weiterempfehlen (siehe Bild unten)
Leckere Kost gibt es wenigstens am dezentralen Busbahnhof von Brasov...
Leckere Kost gibt es wenigstens am dezentralen Busbahnhof von Brasov - ich entscheide mich für Mici mit Krautsalat (zweimal hintereinander das gleiche Mahl) und dazu ´ne Pepsi
Brasov, Endzeitatmosphäre am außerhalb des Stadtzentrums situierten ZOB
Brasov, Endzeitatmosphäre am außerhalb des Stadtzentrums situierten ZOB

Dann ist es endlich soweit, ein schäbiger, schmutziger Sprinter biegt um die Ecke und vorne drin bappt ein Schild mit der Aufschrift Sibiu. Wenige Leute steigen aus, von denen einige ihr Zeugs auf dem Sitz liegen lassen und sich hastig paar Kippen reindröhnen. Zu dumm, dass nun ein gutes Dutzend Reisewilliger um insgesamt fünf freie Plätze kämpfen muss. Anscheinend bin ich einer der ersten, der die brenzlige Lage erkennt und sich dumm-dreist die Pole-Position in der Schlange (nennen wir den schubsenden, fluchenden und zeternden Aggro-Pöbel-Pulk mal so...) sichert. Yeah, ich bin an Bord. Und haue mich auf den Platz hinten links auf der Heldenbank. Es kommt wie erwartet, lediglich vier weitere neue Fahrgäste steigen ein, der Rest steht vergnarzt da und ärgert sich. Los geht´s. Es wird so ziemlich die beschissenste Busfahrt meines Lebens, die Karre bleibt zweimal stehen und muss abkühlen. Im Bus stinkt es nach allen denkbaren (Körper-) Flüssigkeiten, es ist schweineheiß, ich habe die neue Hüpferlitasche mangels Stauraum (überall liegen Säcke und Tüten herum) auf dem Schoß und Körperkontakt mit meinem schwitzigen Nachbarn.

Zur Krönung verreckt die Mistkarre dann wenige Km vor Sibiu endgültig und so müssen die Insassen sehen, wie sie weiterkommen. Ich teile mir ein Taxi mit drei Jungspunden, die englisch können und lasse mich in der Nähe der heutigen Bleibe absetzen.

Boah, was für ein Ritt. Was für ein Tag. Sibiu wird mich kaum mehr begeistern können, fürchte ich.

Erste Schritte durch Sibiu...
Erste Schritte durch Sibiu...

Da ist sie ja schon, die Pension Daniel, quasi gegenüber vom Gong-Theater. Die Bude ist okay, die Dusche auch. Eine ebensolche habe ich nach den Strapazen des Tages auch dringend nötig. Der Ritt von Brasov hierher hat länger gedauert als geplant, weshalb das durchaus angebrachte kurze Schläfchen leider ausfällt. Also schultere ich meinen treuen Begleiter und latsche in die von der Butze locker innerhalb einer Viertelstunde erreichbare, sehenswerte Innenstadt. 2007 war Sibiu übrigens Kulturhauptstadt (w). Seitdem massiven Hype erfreut sie sich einer gewissen touristischen Popularität, die sich mir in diesem Ausmaß jedoch offen gestanden absolut nicht erschließt.


Gong-Theater, Sibiu / Hermannstadt

Der Stadtrundgang führt mich über die Lügenbrücke, den Marktplatz (wo sich übrigens ein Billa befindet, gut zu wissen), durch die Fußgeherzone, final zum (Bus-) Bahnhof und wieder zurück. Relativ eisig ziehe ich mir alles rein und finde Gefallen an der Stadt, auch wenn ich den Hype wie schon gesagt nicht verstehe. Sibiu ist für mich eine nette mittelgroße Stadt mit schön restauriertem Altstadtkern und hochinteressanter Vergangenheit. Mehr aber auch nicht.

Blick von der Lügenbrücke gen Altstadtkern / Marktplatz, Sibiu
Blick von der Lügenbrücke gen Altstadtkern / Marktplatz, Sibiu
Blick von der Lügenbrücke stadtauswärts
Blick von der Lügenbrücke stadtauswärts
Blick auf den XXXX-Turm, den man übrigens auch gegen ein geringes Entgelt besteigen kann und den Billa nebenan
Blick auf den Turm, den man übrigens auch gegen ein geringes Entgelt besteigen kann und den Billa nebenan
Sibiu bzw. Hermannstadt, Markt- bzw. Hauptplatz
Hermannstadt aka Sibiu, Marktplatz (Plata Mare)

Sibiu / Hermannstadt
Sibiu / Hermannstadt, Fußgängerzone
Sibiu / Hermannstadt, Fußgängerzone
Sibiu / Hermannstadt, Bahnhofsgebäude (der ZOB befindet sich direkt daneben auf der von diesem Blickwinkel aus linken Seite)
Sibiu / Hermannstadt, Bahnhofsgebäude (der ZOB befindet sich direkt daneben auf der von diesem Blickwinkel aus linken Seite)

Der Busbahnhof ist wesentlich moderner als jener in Brasov und weiß mit seinen elektronischen Fahrplantafeln zu gefallen. Rasch erspähe ich eine ideale Verbindung nach Cluj und versuche nach den schlechten Erfahrungen zu Beginn dieses seltsam-beknackten Tages, ein Ticket im Vorkerkauf zu erwerben. Funktioniert aber nicht, da das Unternehmen keinen Schalter am Busbahnhof betreibt. Hoffentlich kann ich in der folgenden Nacht ruhig schlafen. Hoffentlich wache ich nicht schweißgebadet auf, weil ich im Traum am ZOB stehengelassen werde... .

Sibiu / Hermannstadt, Autogara Transmixt (Busbahnhof)
Sibiu / Hermannstadt, Autogara Transmixt (Busbahnhof)

Sibiu / Hermannstadt: wo ich schon mal da bin, werfe ich einen Blick auf die viel zu sporadisch genutzten Bahngleise

Echt schade, dass die Zugverbindungen in Siebenbürgen so lausig sind. Zum einen sind die Dinger ewig unterwegs, zum anderen verkehren sie selten bzw. für meine Bedürfniss total unbrauchbar getaktet. Es bleibt mir in dieser Gegend nichts anderes übrig, als auf Busse auszuweichen. An und für sich hasse ich es, größere Distanzen mit Bussen zurückzulegen aber hier gibt es einfach keine Alternative für mich.

Mit dieser traurigen Erkenntnis, die mir schon vorher bekannt war und die sich nun in meinem Gedächnis festsetzt, schlendere ich zurück zum Marktplatz.

Hübsche Kirche in Hermannstadt / Sibiu, Siebenbürgen
Hübsche Kirche in Hermannstadt / Sibiu, Siebenbürgen
Sibiu - Hermannstadt 2007
Sibiu - Hermannstadt 2007

Alt werde ich heute nicht. Erneut ziehe ich mir den Film von der Festplatte rein und reise ins Dreamland.

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