Lissabon
und die Azoren (Sao Miguel), Januar 2016
Tag1
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Die dem spanischen sowie portugiesischen Hoheitsgebiet zugehörigen Hochseeinseln im Atlantik faszinieren mich schon lange. Die kanarischen Inseln, jedenfalls die einigermaßen preiswert erreichbaren von Ihnen, habe ich mehr oder weniger gesehen. Lanzarote, Gran Canaria, Fuerteventura und Teneriffa. Jedenfalls ansatzweise. Madeira habe ich ebenfalls besucht. Bleiben noch die Kapverden und die Azoren. Die Kapverden lassen sich sicherlich früher oder später im Rahmen einer gutscheinunterstützt finanzierten Pauschalreise entdecken. Die Azoren sind leider nur sehr kostspielig erreichbar. Die Azoren sind nur kostspielig erreichbar? Ja, so war es lange Zeit. Aber das hat sich geändert, denn inzwischen steuert mein guter alter, längst lieb gewonnener Freund aus Irland namens Rainer tatsächlich die Hauptinsel der Azoren an. Sao Miguel. Airport Ponta Delgada. Von Lissabon aus.
Die Frage ist nun, wie ich
so günstig wie möglich nach Lissabon komme. Die Antwort lautet: ebenfalls
mit Rainer. Und zwar von Bremen aus. Und so buche ich im Herbst 2015 für
weniger als 40,-€ die Flüge von und nach Bremen.
Die Flüge von Lissabon nach Ponta Delgada kosten zusammen weniger als 20,-€.
Dazu kommen noch die Fahrtkosten denn ich muss ja irgendwie nach Bremen und
wieder zurück kommen. In diesem Fall aufgrund der frühen Abflugszeit
ab Bremen mit dem eigenen PKW. Alles zusammen zahle ich also weniger als 100,-€
Return. Das nenne ich mal einen fairen Preis.
Tag1:
Es ist wie immer. Zum Buchungszeitraum
ist es gefühlt noch eine Ewigkeit hin bis zum tatsächlichen Beginn
des Trips. Und dann vergeht die Zeit plötzlich ganz schnell und es ist
soweit, es geht los. Und so klingelt in aller Herrgottsfrühe plötzlich
der Wecker meines Smartphones. Vergnarzt greife ich die gestern bereits gepackte
Neue Hüpferlitasche, setze mich ins Auto und fahre los. Ganz gemütlich.
Der Verkehrsfunk verrät, dass ich mit keinerlei Stauungen oder sonstigen
Hindernissen zu rechnen habe.
In Bremen angekommen fahre ich in das altbekannte Wohngebiet. Die militanten
Anwohner können mich mal, durch Zerstörung fremden Eigentums erreichen
die bei mir gar nichts. Und so parke ich den Wagen und will gerade zum Flughafen
marschieren als ich von einem Anwohner angesprochen werde. Er empfiehlt mir,
mich woanders hin zu stellen. Und zwar 300 m weiter. Hier sei es zu gefährlich.
Den Tipp nehme ich ernst. Schon oft wurde mir der Lack zerkratzt. Also nicht
mir persönlich, sondern meinem geliebten Pkw, das versteht sich von selbst.
Er selber sieht die
Sache sehr entspannt. Und ist auf jeden Fall cool drauf. Vielen Dank für
den Tipp. Natürlich parke ich sofort um. Einen exakten Hinweis auf den
Stellplatz verrate ich hier nicht. Erstens kann ich die genervten Anwohner (aber
bitte dennoch keine Selbstjustiz in Form von Vandalismus gegen unschuldige KFZ,
liebe Leute) nachvollziehen und zweitens soll das Ganze eine Art Geheimtipp
bleiben, da ich auch nächstes Mal wieder einen freien Platz vorfinden möchte.
Zu den Billigfliegern kommen übrigens auch noch im und am Airport angestellte
Leute, die die Siedlung zuparken. Kann den Unmut der Anwohner echt gut verstehen.
Vielleicht sollte das alles mal in eine Anwohnerzone mit entsprechend ausgegebenen
Parkausweisen umgewandelt werden. Es ist ein riesengroßes Rätsel
für mich, weshalb das in all den Jahren bislang noch nicht geschehen ist.
Verstehe nicht, weshalb die Stadt Bremen nicht längst HAM als Beispiel
genommen hat.
Kostenneutral geparkter Benz,
Bremen
Dann latsche
ich zum Flughafen. Auf dem Weg dorthin bleibe ich natürlich an der kleinen
Brücke beim Wasserbecken stehen und vollziehe das obligatorische Ritual.
Wenige Wochen später werden Ulf und ich übrigens stilvoll (definiere
"Stil", ich weiß... ) an Ort und Stelle eine Partynacht in Bremen
einleiten. Aber das ist eine andere Geschichte, die ihren Weg garantiert nicht
auf diese Internetpräsenz schaffen wird.
An diesem Ort schießen mir, Stammlesern ist es bekannt, stets die Erinnerungen
an vergangene Trips und Urlaube durch die Birne. Seit vielen Jahren schon nutze
ich die Dienste von Rainer. Überwiegend von Bremen aus. Und so ist eine
stattliche Anzahl an Stories zu Stande gekommen, die mit der Gegend in Zusammenhang
stehen.
Geflashed erreiche ich das Terminal. Der Bremer Flughafen besteht im Prinzip aus zwei Terminals. Eines gehört Rainer, das andere den übrigen Fluggesellschaften.
Ryanair-Terminal, BRE
Die Warteschlange hält sich in Grenzen.
Die Warteschlange hält
sich in Grenzen
Die Sicherheitskontrolle verläuft wie in Bremen nicht anders gewohnt freundlich, korrekt und zügig und ehe ich mich versehe, stehe ich bereits vor dem Flieger. Dieser wird gerade enteist.
Der Ryanair-Jet wird enteist,
Flughafen Bremen
Der Abflug verzögert sich, dennoch wird der Jet rechtzeitig genug in Lissabon landen um das akkustische Pünktlichkeitssignal erschallen lassen zu können. Kein Wunder bei dem seitens Rainer großzügigst eingebauten Zeit-Puffer.
Endlich mal wieder unterwegs
mit Rainer, BRE - LIS
Über den Flug gibt es nichts zu berichten, außer dass ich von kurz nach dem Start bis kurz vor der Landung rein gar nichts von der überflogenen Landschaft sehe. Die Wolkendecke ist zu dicht. In Lissabon gelandet steht erstmal eine Busfahrt zum Terminal auf dem Programm. Das LCC-Terminal ist lediglich Abflügen vorbehalten. Ankünfte erfolgen stets über das Hauptterminal. Von dem die Metro abfährt, wie praktisch. Am Automaten stauen sich mal wieder die Lissabon-Frischlinge. Ist gar nicht böse gemeint, auch ich habe letztes Mal ziemlich lange gebraucht, bis ich kapierte, wie das alles funktioniert und dass der Automat weder (jedenfalls in meinem Fall; diesmal übrigens auch nicht) die EC- noch die Kreditkarte akzeptiert. Man muss als erstes eine Karte kaufen (50,- Ct) und auf diese dann die gewünschten Tickets raufladen. Ich entscheide mich für das 24h-Öffi-Ticket (welches nicht auf den Fähren und in den Vorortzügen, beispielsweise nach Estoril, Belem, Sintra oder Cascais, ansonsten aber überall, auch in den Standseilbahnen und natürlich auch in der Touri-Routen-Tram Nr.28 gilt). Im Prinzip total einfach. Schade, dass die aus der Schublade gekramte und extra mitgebrachte Aufladekarte vom letzten Besuch seit wenigen Tagen ihre Gültigkeit verloren hat. Scheiß auf die 50,- Ct? So etwas werdet ihr garantiert niemals von mir lesen.
Die Metro trudelt ein und los geht´s Richtung Zentrum.
In der Metro vom Flughafen
ins Zentrum von Lissabon
Zwei Mahgrebiner,
Vater und Sohn, setzen sich zu mir und fragen, ob das die korrekte Metro zum
Bahnhof Oriente sei. Es gibt nur eine Metrolinie (Schema)
von und zum Flughafen und Oriente liegt mit einem Haltepunkt an eben jener antworte
ich auf französisch. Woher wussten die beiden bloß, dass ich französisch
kann? Okay, die Sprache ist in Portugal, jedenfalls abseits der touristischen
Zentren, weiter verbreitet als sonst eine aber mir erscheint es eher so, als
würden die zwei mal wieder dem klischeehaften Phänomen der francophonen
Mitmenschen entsprechen. Seltsamerweise setzen diese zunächst einfach mal
voraus, dass die angesprochenen Leute ihre Sprache verstehen. Egal wo sie gerade
sind (krass war die Aktion der Tallinn-Touris, ich berichtete... ).
Der Sohn ist auf der Suche nach einem europäischen Fußballverein,
der ihn unter Vertrag nimmt. Ob ich dabei helfen kann, wollen die beiden wissen.
WTF? Da muss ich passen.
Ich steige an der Station Alameda aus der roten in die grüne Linie und betrete am Platz Martim Moniz die Erdoberfläche.
Martim Moniz, am rechten
Bildrand die Tram der Linie 28 und halblinks oben der m.E. fetteste Aussichtspunkt
Lissabons namens Miradouro Da Senhora Do Monte (mit der Tram 28 kommt man übrigens
ganz nah heran, Rua Graca aussteigen und dann fünf bis zehn Minuten latschen)
Die zuletzt häufigen Besuche in Lissabon zahlen sich aus. Und zwar insofern, als dass ich langsam aber sicher auch ohne nachzusehen weiß, was ich mit welchen Verkehrsmitteln und über welche Umstiegspunkte erreiche. Zudem weiß ich stets, wo ich bin, was ich sehe und welche Läden es in der Nähe hat.
Martim Moniz, am rechten
oberen Bildrand das Castelo Sao Jorge
Martim Moniz
Das Wetter ist gelinde gesagt "kacke". Noch weiß ich nicht, dass ich mir spätestens übermorgen ein solches wünschen würde. Zukunftsmusik. Es nieselt, ist aber immerhin windstill und temperaturmäßig mild. Am Martim Moniz Platz bin ich ausgestiegen, habe einen sehnsuchtserfüllten Blick hoch zum Lieblings-Miradouro Lissabons geworfen und schlendere nun weiter Richtung Praca da Figuera und Rossio.
Estátua de Dom João
I, Praca da Figuera, Lisboa
Rossio, Lisboa
Das Wetter ist, ich kann es nicht oft genug erwähnen, mies und so beschließe ich, zunächst mal einen Blick auf die Bude zu werfen und dort das Gepäck zu bunkern. Es ist die Pensao Elegante (b; nein, kein Affiliate-Link, ich verdiene nachwievor keinen einzigen läppischen Cent mit TRs wie diesem), die mir heute ein Dach über dem Kopf bieten wird. Gegen eine äußerst geringe Entgeltzahlung. Back to the roots lautet in diesem Fall mein Motto.
Bahnhof Rossio, Lissabon
Lisboa, Restauradores
Der Weg zur Pension ist leicht zu finden. Hinter der Metrostation Restauradores einfach die kleine schmale und steile Straße (Calcada da Gloria) bergauf abbiegen und dann die rechter Hand auftauchenden Treppen nehmen. Und die Standseilbahn (w) ignorieren.
Schusters Rappen wurden vor
der Standseilbahn Gloria (1885; 48m Höhenunterschied auf 256m Strecke)
erfunden...
Steil geht es bergauf Richtung
Pensao Elegante (die Gasse hat mitunter 18% Steigung... )
Die Bude ist bezugsfertig. Die Vermieterin macht gleich einen guten Eindruck, das Zimmer selbst auch. Beim gezahlten Übernachtungspreis in Höhe von 15,- € gibt´s generell nichts zu meckern aber die massiv schimmelnde Dusche ist dann doch zuviel für mich. Diese Nacht ziehe ich durch, die bereits gebuchte für die Nacht vor dem Rückflug von Lissabon nach Bremen storniere ich gesundheitlicher Bedenken wegen nach wenigen Minuten. Wieso ich überhaupt so eine Billo-Bude gebucht habe? Na weil ich die Kosten so gering wie möglich halten will und ich mich ohnehin nur für kurze Zeit in der Butze aufzuhalten gedenke, hömma. Abgesehen davon: Keep it real (und cheap!), so lautet eines meiner Motti.
Ich packe die Neue Hüpferlitasche um, richte mich ein und schaue vergnarzt aus dem Fenster auf den Dauerregen. So ein Mist. Was ich von Mist halte, weiß wohl jeder der sich diese TRs reinpfeift.
Pensão Elegante: für
den Preis ist die Bude, besonders der Lage wegen, absolut empfehlenswert für
den anspruchslosen und/oder knapp budgettierten Reisenden (abgesehen vom Duschkabinenschimmel)
Pensão Elegante: der
Schimmel in sämtlichen Fugen und Ritzen der Dusche sorgt meinerseits für
Bedenken gesundheitlicher Natur...
Pensão Elegante: während
ich mich frisch mache und sortiere genießt meine Neue Hüpferlitasche
freudig die Aussicht auf Lisabon, quer rüber aufs Castelo de Sao Jorge
Es ist wie es ist und irgendwas ist anscheinend immer. Heute macht mir das Wetter einen Strich durchs Kalkül. Was soll´s, der Inhalt meiner optimierten Neuen Hüpferlitasche ist regensicher in Plastiktüten verpackt und ich bin nicht aus Zucker, also ziehe ich los. Als erstes nehme ich den nahegelegenen Miradouro de São Pedro de Alcântara in Augenschein.
Lissabon
Lissabon, Pensao Elegante
Ascensor da Glória
Der Miradouro de São Pedro de Alcântara gefällt mir gut, kommt aber nicht an den Miradouro Senhora Da Monte heran. Der Blick reicht quer über die Altstadt gen Osten aufs Castelo de Sao Jorge. Der Park verfügt über etliche adäquate Sitz- bzw. Asselgelegenheiten von denen einige sogar ansprechend illuminiert sind. Kurzum: ein toller Platz zum Herumhängen. Bei besserem Wetter jedenfalls. Der Dauerregen vertreibt mich rasch wieder.
Miradouro de São Pedro
de Alcântara
Miradouro de São Pedro
de Alcântara
Miradouro de São Pedro
de Alcântara
Miradouro de São Pedro
de Alcântara
Miradouro de São Pedro
de Alcântara
Sightseeing im herkömmlichen Sinne scheidet bei dem Wetter aus. Hatte ich außerdem bereits mehrfach. Also erfülle ich mir heute endlich den Traum, die beiden gemäß zahlreicher Internetquellen miesesten Stadtteile Lissabons zu besuchen. Diese nennen sich Cova Da Moura (Pics; map; Bericht 1 - 2) und Bairro 6 de Maio. Leute, klickt doch mal ein paar Links an. Die hier in diesem TR verbauten lohnen sich wirklich! Ganz besonders die zu den Ghetto-Siedlungen. Nee, alle. Und nein, es sind keine Affiliates oder so, ich verdiene ungelogen keinen einzigen lausigen Cent mit dem Kram hier. Die Links dienen einzig und allein dem umfassenderen Verständnis.
Von der Metroendstation Amadora Este aus kann ich im Rahmen eines großen Spaziergangs beide erlaufen und unter die sprichwörtliche Lupe nehmen. Also latsche ich zur Metrostation Restauradores. Ab geht´s zur Endstation Amadora Este, die außerhalb der innerstädtischen Tarifzone liegt, was aber mit dem 24h-Ticket kein Problem ist.
Angekommen am Ende der blauen
Linie: Metrostation Amadora Este
Nicht weit von Amadora Este befinden sich soziale Brennpunkte Lissabons. Lissabon hat einige davon zu bieten. Und so staune ich darüber, wie friedlich es oben an der Erdoberfläche ausschaut.
Metrostation Amadora Este,
schöner Park an der Erdoberfläche
Metrostation Amadora Este,an
der Erdoberfläche
Klar, die Scheu hier großartig Fotos zu machen ist ausgeprägt und ich steige automatisch in den Tarn- bzw. "Bloß-Nicht-Auffallen-" Modus aber noch geht´s. Die Gegend gefällt mir. Ehrlicher, authentischer Style.
Ehrlicher, authentischer
Style am Stadtrand von Lissabon
Praca Sao Silvestre, an der Endhaltestelle der blauen Metrolinie in Amadora
Este
Style am Stadtrand von Lissabon,
nahe der Metrostation Amadora Este
Bei Lidl besorge ich Proviant. Bei Lidl? An und für sich bin ich doch stets ein Fan und Supporter regionaler Supermärkte? Nun, bei dem Preisniveau in Portugal sehe ich den Provianterwerb im Discounter als alternativlos an, Asche über mein Haupt dafür. Nach dem Einkauf schlendere ich durch ein recht rottes Industriegebiet, in dem es viel Leerstand und Verfall zu sehen gibt, Richtung Bairro 6 de Maio. Ein Slum, in den sich gemäß diverser Internetquellen nicht mal die Polizei hineintraut. Wenn überhaupt, dann nur in Mannschaftsstärke. Ich bin hochgespannt bis in die wenigen verbliebenen mein Haupt zierenden Haarspitzen.
Rottes Industriegebiet, in
dem es viel Leerstand und Verfall zu sehen gibt
Rottes Industriegebiet, in
dem es viel Leerstand und Verfall zu sehen gibt
Und dann sehe ich sie schon, die ersten schäbigen Behausungen. Ich bin nur noch wenige Schritte vom Ghetto-Slum entfernt und sehe die ersten seltsamen, mich schräg angaffenden Gestalten überwiegend dunkleren Teints. Es scheint als hätte ich eine unsichtbare Grenzlinie überschritten. Plötzlich melden meine Antennen, extrem vorsichtig zu agieren. Und die Antennen der Locals melden, dass sich da ein Eindringling in deren Gebiet verirrt hat der dort nichts zu suchen hat.
Übergang zur ersten,
noch harmlosen und gediegen daherkommenden Slum-Zone
Bäm - wie stylish ist
das denn? Leider traue ich mich aufgrund der direkten Nachbar- bzw. Anwohnerschaft
nicht, das Areal ausgiebig zu inspizieren
Und dann stehe ich endgültig vorm Bairro 6 de Maio (wer mal einen Blick hineinwerfen und nachvollziehen will, weshalb ich mich nicht alleine reingetraut habe, sollte sich dieses vid unbedingt mal kurz ansehen, es reichen die ersten anderthalb Minuten), vor Lissabons wohl krassestem Slum abgesehen von dem Junkie-Camp in der Nähe des alten Aquädukts, in dem die sich komplett am Limit befindlichen Abhängigen unter Planen und in Zelten hausen und dessen genaue Lage ich gerade nicht im Kopf habe. Also, auf der Karte könnte ich´s grob zeigen aber ich denke keiner von euch hat Bock, da mal vorbeizugucken.
Bairro 6 de Maio, Lissabon
Meine Courage lässt zu wünschen übrieg und ich traue mich nicht, in das Bairro 6 de Maio (hier zu finden, map) hineinzugehen. Im Inneren des Slums ist ein quasi rechtsfreier Raum und ich weiß nicht, wie die herumhängenden Typen auf einen schwer bepackten deutschen Heinz mit Iphone und Neuer Hüpferlitasche auf dem Rücken reagieren würden. Fakt ist, dass die Zugangsmöglichkeiten ins Herz des Ghettos kontrolliert werden. Von krummen Hunden, die mich extremst verstohlen mustern.
Boah, nee, beim besten Willen, bei aller Motivation: das packe ich nicht. Mein Bauchgefühl rät mir stattdessen, schleunigst Land zu gewinnen und die Vorortbahnstation Damaia anzusteuern.
Bairro 6 de Maio, Lissabon
Bairro 6 de Maio, Lissabon
Es ist zum Heulen. Auf einen Rundgang hätte ich ebensoviel Bock gehabt wie auf eine Visite im mallorquinischen Drogendorf Son Banya (hochinteressante Pics und Berichte, die jeden, der meint, Mallorca zu kennen, tangieren sollten: 1 - 2 - 3) damals. Meine Gefühle sind damals wie heute die gleichen und so ziehe ich besser Leine. Großartig Fotos schießen ist auch nicht drin, schon gar nicht welche mit Leuten darauf. Obwohl einige der Leute interessant aussehen. Nennen wir es mal interessant.
A propos Fotos. Diese Fotos solltet ihr euch auf gar keinen Fall entgehen lassen [Link öffnen, ganz nach unten scrollen und dann die sensationellen Pics durchklicken, dann wisst ihr ansatzweise (es sei denn ihr habt euch bereits das vid reingepfiffen, dann werdet ihr nun zu Kennern) wie es im Ghetto Six aussieht].
Im Dunklen würde und werde ich mich niemals hierher begeben sondern stattdessen einen großen Bogen machen, soviel ist mal sicher. Cool wäre es, mal mit einem vertrauenswürdigen Einheimischen durch den Slum zu schlendern aber wo soll ich einen solchen herbekommen? Anders als im auf der anderen Seite der Bahngleise liegenden Slum Cova da Moura werden hier keine geführten Touren angeboten, was sicherlich triftige Gründe hat. Vielleicht kann ich über den Betreiber der Seite mit den hammergeilen Ghetto-Pics einen Kontakt herstellen bzw. einen Guide organisieren. Werde ich mal versuchen. Eventuell gibt´s das "Ghetto Six" aber auch bald gar nicht mehr. Ein paar Buden wurden schon platt gemacht und soweit ich ein paar portugiesische Zeitungsartikel richtig interpretiert habe soll das Viertel wohl generell dem Erdboden gleich gemacht werden.
Das Viertel reizt mich ungemein. Andererseits habe ich mich seit Son Banya nicht mehr derart beobachtet und bedroht gefühlt wie hier. Die Blicke der Anwohner werde ich so schnell nicht vergessen. Teils waren sie vermutlich einfach nur überrascht von meiner unfassbaren Naivität, hier überhaupt und dann auch noch zu Fuß aufzukreuzen. Ich würde jedenfalls niemandem zur Nachahmung raten.
Bairro 6 de Maio, Lissabon
Weiter geht es also schnellen Schrittes zur Bahnstation Damaia. Um diese Station herum lungern etliche Gestalten ab, die ich auch nicht unbedingt nach Hause einladen würde. Aufgrund meiner Hautfarbe errege ich Aufsehen und wecke das Interesse etlicher schon auf den ersten Blick zwielichtiger Gestalten. Puh, krasse Gegend hier. Aber hey, irgendwie habe ich genau diesen Nervenkitzel und Style gesucht. Und gefunden.
Unterwegs in Damaia
Ich latsche durch den Bahnhof, unterquere also die Gleise der Bahnstrecke Rossio - Sintra und staune nicht schlecht über den Anblick des Aquädukts "Aqueduto das Águas Livres", welches man übrigens (habe ich allerdings leider erst jetzt bei der Nachrecherche während des Tippens der Zeilen, die Du gerade liest herausgefunden) abschnittsweise begehen kann und seit 1967 außer Betrieb ist.
Aqueduto das Águas
Livres
Aqueduto das Águas
Livres
Unterwegs in Damaia, auf
der Suche nach dem Slum Cova da Moura
Die Kapverden (w) bestehen aus neun bewohnten Inseln. Cova da Moura, so sagt man angeblich im Viertel, ist die zehnte. Bedeutet das, dass ich nun auch die Kapverden als "besucht" kreuzen darf? Kaum. Dennoch werde ich mich von der Bevölkerung her vermutlich so fühlen wie in Sal oder so. Bin bestens darauf vorbereitet.1974 beendete die Nelkenrevolution die portugiesische Diktatur. Etliche afrikanische Staaten erlangten ihre Unabhängigkeit. Und viele der Bewohner, auch die der Kapverden, machten sich auf ins gelobte Land, in diesem Fall Portugal. Und da dieser Hügel am Stadtrand Lissabons noch unbebaut war, wurde er kurzerhand planlos besiedelt. Dadurch entstand ein bunter Stilmix verschiedenartigster Bauten. Ein Wegegeflecht aus Trampelpfaden, Sandwegen und Asphaltstraßen. Und eine Einwohnerschaft, die sich aus ein paar wenigen hellhäutigen und umso mehr dunkelhäutigen Portugiesen und Zuwanderern zusammensetzt. Die Arbeitslosenqoute ist frappierend hoch und manch einer verdient sein Geld auf illegale Art und Weise. Drogenhandel zum Beispiel ist ein Top-Betätigungsfeld vor Ort. Allerdings tut die Bürgeriniative Mühle der Jugend, "Moinho da Juventude" (vid) einiges, um die Aussichten der Bewohner, das Ansehen des Viertels und das Zusammenleben zu verbessern. Unter anderem werden Führungen durch das Ghetto angeboten. Habe es aber leider nicht gebacken bekommen, mich rechtzeitig im Vorfeld dieses Trips darum zu kümmern. Nächstes Mal, gewiss. Und wie gesagt, vielleicht klappt es dann ja auch mit dem Bairro 6 de Maio.
Ich irre ein wenig durch Damaia, dann finde ich einen Zugang nach Cova da Moura. Das Viertel ist seltsamerweise auf kaum einer Karte, auch nicht auf meiner offline nutzbaren App, verzeichnet.
Eingang in den nächsten Slum: Cova da Moura
Sicherlich liegt es am Dauer-Nieselregen, dass auf den Wegen und Straßen kaum etwas los ist. Kommt mir sehr gelegen. Dennoch fällt es mir schwer, Fotos zu machen. Kaum bleibe ich vor irgendeiner Bude stehen, werde ich beäugt. Kritisch. Weniger krumm als vorhin am Rande des Ghettos Six aber doch alles andere als beruhigend. Und so bleibe ich nirgends lange stehen sondern versuche den Eindruck zu erwecken, irgendein Ziel anzusteuern und mich einigermaßen auszukennen. Wahrscheinlich gebe ich dabei eine lächerliche Figur ab, was soll´s. Es ist davon auszugehen, dass gerade hier jeder jeden kennt und auswärtige Nasen sofort auffallen wie ein sprichwörtlicher bunter Hund.
Cova da Moura
Cova da Moura
Cova da Moura
Cova da Moura
Cova da Moura
Cova da Moura
Auch wenn der Adrenalinspiegel hoch ist und ich mich nicht gerade pudelwohl fühle, gefällt mir Cova da Moura irgendwie. Und da kommt es mir sehr gelegen, dass ich plötzlich vor einer relativ harmlosen Gaststätte stehe, die ein paar regengeschützte Stühle im Freien hat. Mit Blick auf die Hauptstraße. Nennen wir sie mal Hauptstraße. Auf jeden Fall ist vor dem Laden reger Durchgangsverkehr. Keine Autos, Fußgeher. Ich gehe in die Kniep, ordere ein 0,33er Sagres und zahle 90,-Cent. Cool. Besonders wenn man bedenkt, dass die gleiche Flasche selbst bei Lidl normalbepreist bei knapp über 70,-Cent liegt. Leider sind während des Bestell- und Bezahlvorgangs die beiden Plätze im Freien okkupiert worden. Pflanze ich mich halt drinnen hin.
Tb-Asselei während des
Dauerregens in einer Local-Kniep im sogenannten Slum von Cova da Moura - mal
was gänzlich anderes...
Tb-Asselei während des
Dauerregens in einer Local-Kniep im sogenannten Slum von Cova da Moura - mal
was gänzlich anderes...
Ein paar bis dato leere Seiten sind rasch gefüllt. Der Style ist derart einladend, dass ich noch ein zweites Sagres zische ehe ich mich empfehle. In dem Laden wurde ich zwar interessiert, keineswegs jedoch krumm beäugt. Das Etablissement ist sehr empfehlenswert. Sollte jemand mal selbst dorthin kommen und die Adresse wissen wollen reicht eine Mail an mich. Bei der Verabschiedung bringe ich mal wieder das alles andere als empfehlenswerte Kunststück fertig, mich mit einem gepflegten "Adios!" zu verabschieden. Wenn es eine in Portugal unpassende Sprache gibt, dann ist das definitv die spanische, abgesehen von einem Aufenthalt direkt in Grenznähe. Spreche da aus eigener Erfahrung. Und wenn man gar nichts zu sagen weiß, dann sollte man sich seiner eigenen oder aber der meistverstandenten (französisch) bedienen.
Dieser Tipp
war übrigens, wie das gesamte Angebot dieser Internetpräsenz, gratis
für dich. Und nun, es passt gerade mal wieder so gut, nochmals der leider
kaum verzichtbare Standardhinweis, der für alle meinerseits veröffentlichten
Inhalte gilt (kursiv, das heißt wenn Du schon meinerseits oberlehrerhaft
informiert wurdest, kannst Du den kursiven Part überspringen):
Ja, das hier ist extrem subjektive, freie und teils sicher
sehr eigenwillige Meinungsäußerung. Diese folgt nicht den Regeln
eines kommerziell ausgerichteten, weichgespült-schleimig-beliebigen Möchtegern-Reise-
bzw. Szene- bzw. selbsternannten Lifestyleblogs auf der Jagd nach Supportern,
Financiers, Werbekunden, Likes, Verlinkungen, Networking, Affiliates und so
weiter. Kurz: ich verfolge keinerlei finanzielle Absichten, bekomme keinen Cent
für das was ich hier für mich selbst, mein Umfeld und interessierte
Leser mache.
Das ist hier ist darüber hinaus kein Reiseführer und keine Reportage,
nichts was irgendwelchen journalistischen Grundsätzen und Regeln entsprechen
soll. Kurz auch mal was zum sprachlichen Stil: ich bemühe mich, möglichst
nah am gesprochenen Wort zu bleiben und bediene mich gern der teils vielleicht
derben, vermeintlich ungehobelten Umgangssprache (Irrglaube bzw. Fehleinschätzung).
Ist in meinem Fall authentischer als ständig gekünzelten elaborierten
Code posermäßig und häufig stümperhaft gewollt und doch
ungekonnt zur Schau zu stellen und damit (mitunter Pseudo- ) Eloquenz, Bildung
und Kompetenz auf Krampf zu vermitteln.
Persönlich finde ich es übrigens immer voll öde, einen fremden
Trip- oder Travel-Report erwartungsfroh zu öffnen und dann festzustellen,
dass dieser lediglich paar Pics und aus irgendwelchen Quellen zusammengestellte
Fakten aber keine Emotionen, kein Leben, keine Story, keine Meinung und keinen
Drive enthält. Keine Ahnung wie es Dir geht.
Das hier ist ein Oldschool-Angebot, stammt vom Style her aus einer längst
zurückliegenden Zeit und ist, wie andere dinosaurierartige Internet-Wegbegleiter
die es schon niedergestreckt hat, vom Aussterben bedroht. Von mir aus auch für
den Mainstream "zu Recht". Zum Teil ist es diese nun schon seit 2004
am Start befindliche Interseitseite (mit unterschiedlichen Domainendungen freilich)
ja schon, also ausgestorben, meine ich. Schließlich sind große Teile
der Präsenz überwiegend offline - warum eigentlich? Nun, abgesehen
von massiven, nervenraubenden und übelst denunzierenden Anfeindungen musste
ich schon viel Geld, Arbeit und natürlich Zeit aufbringen. Wofür ich
das alles dann überhaupt noch mache? Für Abmahnungen und Beleidigungen?
Nein, fürs Hobby, für Freunde und Bekannte, für Familie - für
mich selbst.
Keep it real!
Ach eins noch: wenn Du alles kacke findest, zwingt dich keiner, dir den Mist
reinzuziehen. Nun
aber viel Spaß und weiterhin hoffentlich (wenn nicht, geh doch einfach)
angenehme Unterhaltung. Schön, dass Du da bist.
Schön, dass Du da bist.
Cova da Moura, besagte Gaststätte
von außen
Cova da Moura: am Ausgang
des "Ghettos"
Cova da Moura
Der Cova-da-Moura-Rundgang und das Finale in der Local-Kniep haben mir bestens gemundet. Den Tagesausklang jedoch plane ich an anderer Stelle, und zwar am Aussichtspunkt Senhora da Monte. Ab zur Station der Vorortbahn namens Sta Cruz - Damaia.
Sta Cruz - Damaia
Aqueduto das Águas
Livres (w),
Damaia
Cova da Moura
Mit besagter Vorortbahn, in der das 24h-Ticket dooferweise nicht gültig ist, fahre ich in knapp zehn Minuten zum Bahnhof Rossio. Dieser ist direkt in der Altstadt gelegen und so ist es ein Katzensprung bis zum Martim Moniz Platz, von wo aus ich mit der Tram 28 den recht weit oben gelegenen Stadtteil Graca zu erreichen gedenke.
Bahnhofshalle vom Rossio,
Lissabon
Am Rossio-Bahnhof, Lissabon
Igreja de São Domingos
Ich habe Glück, das Timing ist ideal und so sitze ich bereits wenige Minuten nach meiner Ankunft am Martim Moniz in der Tram der Linie 28. Was macht diese Linie für den Touristen so interessant, abgesehen vom Nostalgiefaktor des Transportmittels selbst? Lies es hier (w) nach. Ich nehme die Straßenbahn bis nach Graca und latsche zum Aussichtspunkt "Miradouro de Graça" (pics). Ja, der kann was. Allerdings lockt rechter Hand der Miradouro da Senhora do Monte. Der ist noch eine Nummer fetter. Also latsche ich kurzentschlossen hin.
Miradouro de Graça:
rechter Hand lockt der Miradouro da Senhora do Monte (gelbe Lichter unter den
charakteristischen Bäumen)
Auf dem Weg vom Miradouro
de Graça zum Miradouro Da Senhora Do Monte, Graca, Lisboa
Schweißtreibende zehn Minuten später bin ich da, wo ich anscheinend hingehöre und genieße die wundervolle Panoramasicht. Bei dem Wetter ist eben jene allerdings weniger imposant als zuletzt vor einem knappen Jahr. Dennoch beschwere ich mich an dieser Stelle nicht übers Wetter denn es ist endlich mal so gut wie trocken. Ich kann mich also auf die gleiche Bank wie letztes Mal setzten und nach Herzenslust chillen.
Miradouro Da Senhora Do Monte,
Lisboa (Graca)
Kirche "Senhora
Do Monte"
Miradouro Da Senhora
Do Monte, Blick über den Platz Martim Moniz
Die Zeit vergeht wie immer, und zwar zu schnell. Morgen früh habe ich einen Flug zu erwischen. Ich entscheide mich dafür, den Weg zurück zur Pension per Pedes zu bewerkstelligen und latsche los. Zum Martim Moniz brauche ich weniger als eine Viertelstunde.
Miradouro Da Senhora
Do Monte, Weg hinunter zum Martim Moniz Platz
Die gesamte Strecke ist, bergab, in locker weniger als einer halben Stunde zu packen.
Zurück bei der Pension
Zurück in der Pension taper ich zum Rezeptionsmokel und erwerbe eine große Flasche Mineralwasser. Die Leitungen sind vermutlich nicht gerade die allerjüngsten und so hält sich mein Glaube an die bedenkenlose Trinkbarkeit des Kranwassers in engen Grenzen. Nach dem Erwerb ledere ich mich auf der sehr schmalen und dazu steilen Treppe nach oben ab. Zum Glück fliege ich aufwärts. Das ganze in entgegengesetzter Richtung und ich hätte mir die Azoren (Sao Miguel) morgen definitv abschminken können. So komme ich außer mit einem großen Schrecken mit dem Spott des nachtwachehaltenden R-Typen (kennt jemand noch R-Type Delta vom Super Nintendo?) sowie seines Kumpels davon. Glück gehabt.
Noch fix duschen und dann ab in die Horizontale.