Krasser Trip, Juni 2017
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Tag 2: Belgrad und Avala

Das Frühstück ist hervorragend und ich habe im in einem Innenhof gelegenen Nebengebäude wunderbar ruhig geschlafen. Einem schönen Tag in der serbischen Hauptstadt steht somit nichts im Wege, ganz im Gegenteil. Bevor ich mich auf den Weg in den Süden der Stadt mache erledige ich den Fahrscheinkauf für den morgigen Ritt nach Zajecar. Seitdem ich damals am Bahnhof von Brasov massivst doof aus der Wäsche geguckt habe bin ich in solchen Dingen stets übervorsichtig und das ist auch besser so. Besser so, als erneut das Nachsehen zu haben und keinen Platz mehr abzubekommen. Man war das ätzend, damals in Brasov. Zurück zum Tagesgeschehen. Der Busfahrschein ist rasch an einem der vielen von absolut sehenswerten Vertreterinnen der serbischen Damenwelt (hier gibt´s etliche Hingucker ganz nach meinem Geschmack, womit ich Stammlesern nichts neues verrate... ) erworben und als nächstes besorge ich mir eine Tages-Flatrate für die städtischen Öffis zum definitiv fairen Preis in Höhe von umgerechnet etwa 3,- €. Auf nach Avala! Wohin? Nach Avala. An dieser Stelle darf die grobe Übersichtskarte meines heutigen Tagesprogramms nicht fehlen. Voilà:

Praktischerweise liegt das Stadion vom traditionsreichen wie ehrwürdigen serbischen Top-Club (Rekordmeister sowohl Jugoslawiens als auch Serbiens) direkt auf dem Weg dorthin und so steige ich selbstverständlich kurz aus und sehe mich um. Der FK Roter Stern Belgrad weckte des Europapokalfinales gegen den FC Bayern München wegen mein Interesse, 1991 war es als der Landesmeister-Titel gewonnen werden konnte und der Club eine der besten Mannschaften der Welt stellte. Damals interessierte ich mich noch für Profifussball, kaum zu glauben aber wahr.

Wikipedia schreibt im zugehörigen Artikel (w) u.a.:
"Der Fußballclub Roter Stern Belgrad oder Roter Stern, Fudbalski klub Crvena zvezda – FK Crvena zvezda, gewöhnlich Crvena zvezda oder nur Zvezda, ist die Fußballabteilung von Roter Stern Belgrad, einem 1945 gegründeten serbischen Sportverein aus dem Stadtteil Dedinje im zentral gelegenen Belgrader Bezirk Savski venac. Der Club spielt seit 1946 stets in der höchsten Spielklasse und ist mit 27 Meisterschafts- und 24 Pokalsiegen serbischer und jugoslawischer Rekordmeister (gemeinsam mit Partizan). Er belegt in der ewigen Tabelle der jugoslawischen Liga den 1. Platz und errang auch Achtungserfolge in Europa.
Im Sozialistischen Jugoslawien (1945–1992) spielte die Mannschaft eine überragende Rolle mit 19 Meistertiteln und 12 Pokalerfolgen. Mit zwei Mitropapokalsiegen 1958 und 1968, dem Halbfinale im Messestädte-Pokal 1962 und Europapokal der Pokalsieger 1975, dem Finale im UEFA-Pokal 1979 und dem Gewinn des Europapokal der Landesmeister sowie des Weltpokal 1991, gehörte Roter Stern um die 1990er-Wende zu den erfolgreichsten und besten Vereinen der Welt. 1992 verpasste der Club ein weiteres Landesmeisterpokal-Finale. Zuvor erreichte man das Halbfinale 1957 und 1971. Neben Steaua Bukarest ist Roter Stern der einzige Verein aus Südost- und Osteuropa der diese Trophäe gewinnen konnte und der einzige aus diesen Regionen der den Weltpokal holte. Der Zerfall des Landes ab 1992 und seine Folgen führten unter anderem zum Ausverkauf der Mannschaft. Von 1992 bis 2006 spielte Roter Stern in der ersten Liga des neuen Jugoslawien bzw. von Serbien und Montenegro. Es wurden weiterhin zahlreiche nationale Titel gewonnen, während man international nicht mehr an frühere Erfolge anknüpfen konnte. In den letzten Jahren verpasste man mehrmals knapp die Gruppenphase eines Europapokals, die man zuletzt 2006 und 2008 erreicht hatte. Mit Partizan verbindet Roter Stern eine der bekanntesten Rivalitäten des Weltfußballs. Dieses Aufeinandertreffen ist als „Ewiges Derby“ bekannt. Seine Heimspiele bestreitet der Club im 60.000 Zuschauer fassenden Stadion Rajko Mitic."

Zusätzlich zu den vielen erzielten Vereinserfolgen verfügt der Club über eine sensationelle Anhängerschaft, die dem Kenner ein Begriff ist. Die Rede ist von der Gruppierung "Delije" (w). Ich treibe mich also am Stadion Rajko Mitic herum und erhasche sogar einen Blick ins Innere. Obwohl aktuell kein Spiel stattfindet ist die Atmosphäre dieses Ortes merklich spürbar. Ein besonderer Ort, keine Frage.

Mit einem weiteren Umstieg, bei dem ich immerhin eine stylishe Fußgeherbrücke über die Ausfallstraße zu sehen bekomme, erreiche ich schließlich den Ort der genauso heißt wie der Berg, auf dem sich der Belgrader Fernsehturm befindet. Dieser Turm bietet dem geneigten Besucher eine Aussichtsplattform, auf die ich natürlich hinauf möchte. Darüber hinaus befinden sich auf dem Berg ein sowjetischen Veteranen gewidmetes Millitärdenkmal, ein Hotel, ein paar Trinkwasserspender, eine Holzkirche und der eine oder andere Restaurationsbetrieb. Als erstes latsche ich zum TV-Turm und fahre mit dem alternativlosen Lift hoch. Die 360°-Panoramasicht ist wie erwartet "top" und jeden gezahlten Eintrittsdinar wert. 

Auch das Denkmal weiß vollends zu begeistern. Dort lege ich eine ausgiebige Mittagspause ein, ehe ich wieder ins Tal wandere. Mit dem erstbesten stadeinwärts fahrenden Bus nähere ich mich der serbischen Hauptstadt, schaue aus dem Fenster und entdecke einen gutbesuchten Friseurladen. Die Bude hat in etwa die Grundfläche einer herkömmlichen Einzelgarage und es haben sich Warteschlangen gebildet. Ein gutes Zeichen. Darüber hinaus haben die Balkanesen es erfahrungsgemäß einfach drauf, meine wenigen verbliebenen Haare zu stylen und so steige ich aus und stelle mich an. Das Ergebnis ist ein wunderbar landestypischer Haarschnitt zum niedrigen Preis. Weiter geht die Fahrt Richtung Zentrum. Auf dem Weg dorthin steige ich hier und dort aus und lasse mich einfach von meiner Spontanität treiben. Ab und zu nutze ich irgendeine Tram, irgendeinen Bus und natürlich Schusters Rappen um einen tiefen Eindruck von Belgrad zu gewinnen, was auch bestens gelingt. Zum Tagesausklang begebe ich mich zur Burg und halte Ausschau nach einem Richtung Westen ausgerichteten, dünn frequentierten und zunächst noch schattigen Asselplatz mit "Lass-laufen-Option". Die Suche gestaltet sich schwierig, da es außer mir eine Menge Leute aufs Areal zieht. Gefühlt sitzen überall Leute herum. Auf den Wiesen wird Ball gespielt oder dem Müßiggang gefröhnt, hier und da wird gepicknickt und ein bischen gebechert. Überraschenderweise gelingt es mir final tatsächlich, einen allen selbstdefinierten Kriterien eines adäquaten Asselplatzes entsprechenden Platz aus dem Hut zu zaubern. Ich quetsche mich und die Neue Hüpferlitasche durch einen Bauzaun und ergattere einen Top-Platz auf einer alten Wehrmauer. Bequeme Sitzposition, tolle Sicht gen Westen auf den Zusammenfluss von Save und Donau, hinter mir ein schattenspendender Baum und ein erfrischender, wohltemperierter Proviant beglücken mich. Mehr geht nicht. Und so lasse ich mich und meine Gedanken einfach treiben und genieße die schöne Zeit. Wieder einer dieser Momente, für den ich das alles immer wieder und schon seit vielen Jahren mache. 

Wer mich und meine TRs kennt, weiß was unweigerlich knapp wird. Richtig, die Asselzeit. Am Ende rast die Zeit nur so davon, final werden Minuten gefühlt wie so oft in derartigen Situationen zu Sekunden und schon ist es zu dunkel zum Füllen bis dato leerer Seiten und so ist es mal wieder an der Zeit, den Rückweg zum Hotel anzutreten. Ich entscheide mich für einen ausgedehnten Abendspaziergang und gegen einen Bus- oder Taxi-Ritt und werde in Form einer Riesenportion Cevapcici im Brot belohnt. Könnte ich mir nahezu rund um die Uhr reindrücken, so genial schmecken Pljeskavica und Konsorten hierzulande. Die Balkanküche und ich sind ohnehin allerbeste Freunde und so ist es nicht verwunderlich, dass ich mir an manchen Tagen gleich mehrere Ma(h)le Imbissnahrung reinpfeife. Und ja Ulff, die Teile reichen sowohl quali- als auch quantitativ mitunter durchaus an das aus Apatin (Sommer 2012) bekannte Maß der Dinge in der Kategorie "serbische Imbissnahrung" heran. Wie auch immer. Der Rest des Weges von der Fressbude zum Hotel regt die Verdauung an und das ist auch gut so.

In der Bude schalte ich die Klimaanlage auf maximale Kühlleistung, dusche und ziehe mir wie immer etwas Internet-Müll rein. Welch gelungener Tripauftakt, so darf es gern weitergehen. auch wettermäßig. A propos weiter.

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