Krasser Trip, Juni 2017
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Tag 5: Im Bummelzug über die neue Donaubrücke nach Craiova

Das Frühstücksbüffet ist sehr übersichtlich. Kaum etwas für mich dabei. Der Kellner, nennen wir ihn mal so, ignoriert mich und bietet nichts zu trinken an. Ich habe eh keine Lust, länger als nötig im trostlosen Außenbereich der Unterkunft am trockengelegten Pool als einziger Gast herumzusitzen und schwitzend den mühsam vom kargen Büffet selektierten Mampf herunterzuwürgen. Gegen 11h checke ich aus und latsche schonmal zum Bahnhof. Dort suche ich mir eine schattige Bank und beobachte das überschaubare und dennoch interessante Treiben.

Zack, schon ist es 12:00h. Fast pünktlich trudelt der leere Zug aus Rumänien ein. Ein seelenloser moderner Doppeltriebwagen. Schade, ich hatte mich extremst auf eine Fahrt mit einem Oldschool-Ost-Teil gefreut. Schön am nach unten gedrückten Fenster stehend und die Birne vorsichtig heraushaltend. Abwechselnd vertrauten MP3-Klängen und dem holprigen Ta-Ta-Tock-Ta-Ta-Tock (beschreibe es doch besser, Du Witzbold) des betagten Vehikels auf morsch-vergammelten und zugewucherten Gleisen lauschend und die Gedanken kreisen lassend. Die Freiheit genießend. Tja, da habe ich die Rechnung ohne den Wirt, in diesem Fall die CFR (rumänische Eisenbahngesellschaft) gemacht. Hoffentlich funktioniert wenigstens die Klimatisierung. Werde ich ja sehen. Der Zug hält übrigens auf einem umzäunten Gleisbereich und wird von Beamten empfangen, die allerdings umsonst aus ihrem Kabuff gekommen sind.

Um 12:35h fährt der Zug ab. Zuvor besorge ich mir rasch ein bischen Proviant. Kalte Coke bringt mich wieder nach vorn, Mineralwasser muss eh mit und auch die Backwaren der bahnhofsnahen Einkaufsmöglichkeiten wissen sowohl preislich als auch qualitativ zu überzeugen. Immerhin fast dreieinhalb Stunden wird die Fahrt, gesetzt der Fall alles verläuft planmäßig, dauern. Mit dem Auto wären es übrigens gerade mal 103 Km aber ich will mich nicht beschweren. Vor ein paar Jahren hätte die Reise wesentlich länger gedauert und wäre komplizierter gewesen. Vor vielen Jahren setzten Ulf und ich noch mit der Fähre nach Rumänien über und das Prozedere war zwar eindrucksvoll, zog sich aber hin. Nun gibt es eine Brücke, die am 14.06.2013 eröffnete Donaubrücke 2, auch Brücke Widin–Calafat oder Brücke "Neues Europa" genannt (w). Radfahrer und Fußgänger dürfen die Brücke übrigens benutzen, sogar unentgeltlich. Wäre cool gewesen, hat aber nicht in meine Planung gepasst. Und dass ich nochmals so irre sein werde, hier mit dem Fahrrad durch die Gegend zu fahren kann ich so gut wie ausschließen, das steht mittlerweise fest.

Beim Zugang aufs Gleis wird mein Pass kontrolliert und ein Blick in meine Neue Hüpferlitasche geworfen, das war es dann aber auch schon mit der Kontrolle. Los geht die Fahrt, mit mir als einzigem Fahrgast im natürlich nicht klimatisierten Ätz-Triebwagen. Die Spannung steigt und schon fahre ich im Zug über die Donau. Auf die Schnelle eine Karte zwecks besserer Orientierung.

Mitten im Nirgendwo kommt der Zug zum Stehen und ich steige aus. Ich bin am Bahnhof Golenti. Hier trifft der Gleis aus Calafat auf jenen aus Bulgarien. Hier gibt es nichts außer einem deplatziert wirkenden und offenbar verlassenen Bahnhofsgebäude. Ich werde von einem Grenzpolizisten in Empfang genommen, mit dem ich mich eine Viertelstunde lang unterhalte. Viel los ist hier nicht. Nie. War klar, erklärt auch, dass es nur einen einzigen Zug pro Tag zwischen Rumänien und Bulgarien, jedenfalls über diese Brücke, gibt. Schließlich kommt ein Triebwagen aus Calafat angefahren, der mit jenem aus Vidin verbunden wird. Ich wechsle den Triebwagen denn in dem aus Calafat funktioniert die Klimaanlage einigermaßen. Leer ist er auch.

Die nächsten Stunden schaue ich aus dem Fenster und frage mich, was mich damals bloß geritten hat, im Hochsommer durch eine derart öde Kack-Landschaft zu radeln. Freiwillig! Kaum zu fassen. War auch der beknackteste und zermürbendste Teil unserer Tour damals. Lange her. Zurück in die Gegenwart. Entlang der bedauernswerten Gleise befinden sich kahle, landwirtschaftlich genutzte Flächen sowie kleine Dörfer, die überwiegend euphemistisch formuliert urig und ursprünglich aussehen. Und etliche Industrieruinen, teils imposanter Ausmaße. Endzeitstimmung in Vollendung. Zu doof, dass ich die Fahrt nicht wie zuvor erträumt verbringen kann sondern im miesen Triebwagen gefangen bin.

Pünktlich auf die Minute rollt der Zug schließlich um 15:57h in Craiova ein. Um kurz vor vier Uhr nachmittags stehe ich vor dem Hauptbahnhof Craiovas und überlege, wie ich nun idealerweise zur Bude meiner Wahl, dem Hotel Helin Central gelange. Taxi? Nur im Notfall. Bus? Wäre die Top-Lösung aber irgendwie fährt keiner. Kann auch sein, dass ich zu dämlich bin. Trotzdem kaufe ich schonmal einen Busfahrschein, den ich für die morgige Fahrt zum Flughafen verwenden werde. Als Transportmittel zum Hotel verbleiben mir noch meine eigenen Füße, die alleine beim Gedanken an die zurückzulegenden 1,7 Km bei dieser Hitze zu qualmen beginnen. Da muss ich durch. Los geht der Marsch, der frei jeglicher Reize und gottlob in weniger als einer halben Stunde Geschichte ist. 

Der Check In ist rasch und professionell erledigt und das Zimmer bezogen. Alles okay, doch scheinen mir sowohl Klimaanlage als auch Minibar merklich überfordert. Mist. Ab unter die Dusche und nebenbei ein paar Klamotten waschen lautet meine Devise ehe ich abgekühlt und in frisch aus den Weiten der Neuen Hüpferlitasche gezauberter Montur zum Erkundungsspaziergang der Hauptstadt der Wallachei losmache. Craiova, was weiß ich über Craiova? Nichts, außer dass die Stadt ungefähr 250.000 Einwohner oder so hat und den Verein Universitatea beheimatet, gegen den Dortmund irgendwann vor langer Zeit mal im Europapokal gespielt haben muss weil ich das Spiel als Jungspund interessiert verfolgte. Habe es recherchiert. Am 14.10.1990 schlug Borussia Dortmund den Platzhirsch in dessen Stadion mit 3:0 (Torschüzen: Zorc und doppelt der gute alte Mill). Fast siebzehn Jahre liegt es nun zurück, das Spiel. Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht, ich sage es völlig zu Recht immer wieder aufs Neue. Das Rathaus soll schön anzusehen sein. Mehr weiß ich nicht. Mal sehen, was Wikipedia im zugehörigen Artikel (w) so zu berichten weiß. Auch nicht viel mehr. Craiova ist also auch eine Stadt, die das Prädikat "lame" (englisch auszusprechen) verdient hat.

Ich latsche durchaus motiviert los, als erstes vorbei am Universitätsgebäude und dann weiter durch die Fußgeherzone zum tatsächlich beeindruckenden Rathaus. Irgendeine Feier findet gerade statt, die vermutlich auch die unerwartet hohen Übernachtungspreise erklärt. An einem folkloristisch getrimmten Stand lasse ich mich zu einem kosten- aber auch geschmacksintensiven Imbiss überreden und lasse mich fortan einfach treiben. Nachdem ich das Rathaus gesehen habe verfolge ich keine Ziele mehr. Jedenfalls nicht heute. Und so lande ich am Stadtrand, in verschiedenen Parkanlagen und final wieder in der belebten Innenstadt, in der eine riesige Party mit Live-Musik und Bühnenprogramm und so weiter stattfindet. Das nennt man dann wohl Timing. Ich frage einen Polizisten, was überhaupt gefeiert wird. Stadtjubiläum, meine ich mich zu erinnern. Oder Stadtfest. Wie auch immer, ist mir ehrlich gesagt auch egal. Mir gefällt Craiova überraschend gut. Wenn man keinerlei Erwartungen hat kann man schließlich auch nicht enttäuscht werden. Eine Weisheit, an der definitiv etwas dran ist. 

Wenig später erreiche ich mein Zimmer und schaue die letzten Minuten des mir gelinde ausgedrückt am Arsch vorbeigehenden Champions [sic!] League Finales an. Real Madrid schlägt Juventus Turin. Und in China fällt ein Sack Reis um. Und ich penne ein und freue mich auf Spanien.

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